Wer mit Dumpinglöhnen Geschäfte machen will, sollte gesellschaftlich geächtet werden. Schärfere Kontrollen und härtere Strafen sind notwendig.

Es war im Januar 2007, als das Abendblatt über ein Hamburger Zimmermädchen berichtete, das für 2,52 Euro brutto pro Stunde in einem Luxushotel arbeitete. Die Empörung war groß. Es gab Krisengipfel beim Wirtschaftssenator, die Bürgerschaft debattierte, und SPD und Grüne forderten einen Mindestlohn – der ein halbes Jahr später tatsächlich eingeführt wurde. Aktuell 9,31 Euro müssen Reinigungskräfte in Hamburg mindestens verdienen. Theoretisch. In der Praxis säubern noch immer Hunderte Putzkräfte für weit weniger Lohn viele der rund 25.000 Hotelzimmer der Stadt – manche bekommen nicht einmal 3 Euro pro Stunde. Meist sind es Ausländer, die Opfer solcher Machenschaften sind und sich schon mangels Sprachkenntnissen nicht zur Wehr setzen können.

Das kann man nun einen Skandal nennen oder auch eine Schweinerei, beides mit Recht. Es handelt sich aber auch um ein Lehrstück über gut gemeinte Regelungen, die ins Leere laufen, wenn ihre Einhaltung zu lasch kontrolliert und Verstöße zu lasch bestraft werden.

Es ehrt den Dehoga, den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, dass er jetzt mit einer mehrsprachigen Plakatkampagne die Betroffenen dazu aufruft, sich bei einer Beratungsstelle zu melden. Das Problem lösen lässt sich damit allein aber sicher nicht. Letztlich ist das Risiko für einen Unternehmer, dessen Geschäftsgrundlage die skrupellose Ausbeutung von meist wehrlosen Arbeitskräften ist, dabei erwischt zu werden, ziemlich gering. Und wenn es doch einmal passiert, sind die Strafen vergleichsweise bescheiden.

Die Zahl der Steuerselbstanzeigen ist seit der Verurteilung von Uli Hoeneß ja nicht deswegen so stark gestiegen, weil all die Täter plötzlich das schlechte Gewissen gepackt hätte. Es ist die Angst vor einer Gefängnisstrafe. Deswegen sind schärfere Kontrollen und härtere Strafen notwendig und richtig. Noch viel wichtiger aber ist ein Umdenken der in diesem Zusammenhang wichtigsten Größe: der Kunden.

Wie mächtig Konsumenten sein können, zeigt sich seit vielen Jahren. Produkte mit Biosiegel etwa erobern immer größere Marktanteile. Wenn es um angemessene Bezahlung und Soziales geht, dann gibt es das Trans- Fair-Siegel – das bezieht sich allerdings ausschließlich auf Produkte aus Entwicklungsländern, zumeist Kaffee und Kakao. Bei deutschen Herstellern und Dienstleistern spielt das bisher kaum eine Rolle. Soziale Fairness ist kein Marketing-Instrument, auch mangels Transparenz hat es kaum Einfluss auf die Kaufentscheidung der Kunden.

Warum eigentlich nicht? Warum gibt es kein Sozialsiegel, mit dem faire Unternehmen werben können? Warum gibt es keine „Stiftung Sozial- Test“, die wie die Stiftung Warentest unabhängige Bewertungen vornimmt? Angesichts des ausufernden Niedriglohnsektors wäre es dringend an der Zeit dafür.

Man muss kein Gutmensch sein, um sich dieser Forderung anzuschließen. Klare volkswirtschaftliche Fakten sprechen dafür. Denn es ist nicht nur moralisch verwerflich, Hungerlöhne zu zahlen, es belastet zudem die Sozialkassen – in mehrfacher Hinsicht. Bezieher von Niedrigstlöhnen werden zunächst sogenannte Aufstocker, das heißt, sie bekommen die Differenz zum Hartz-IV-Satz vom Staat, also aus Steuermitteln. Sie werden allenfalls einen sehr geringen Rentenanspruch erarbeiten können und werden daher auch im Alter auf den Staat angewiesen sein. Hinzugerechnet werden müssen auch die entgangenen Steuern sowie die viel geringeren Sozialabgaben auf Arbeitgeberseite. Wer Dumpinglöhne zahlt, verhält sich also asozial. Und asoziales Verhalten sollte gesellschaftliche Ächtung nach sich ziehen. Besser noch: wirtschaftlichen Misserfolg. Der liegt in unser aller Hand.