In Hamburgs Jugendämtern formiert sich der Protest

„Eigentlich müssten sie uns doch in einer Sänfte durch die Stadt tragen und uns zujubeln“, sagte eine Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) gestern unter lautem Beifall auf einer Versammlung der Hamburger Jugendamtsmitarbeiter. Sie und ihre rund 350 Kollegen würden täglich „einen hammerharten Job“ machen und guckten dabei oft genug „in die Abgründe der Menschheit“. Hamburgs Sozialarbeiter verlangen Wertschätzung und Anerkennung. Stattdessen jedoch stehen sie mal wieder am Pranger.

Nach jedem toten Kind beginnt in dieser Stadt die hektische Suche nach den Schuldigen. Wer hat warum versagt? Wer hat was versäumt? Wer hat welche Situationen falsch eingeschätzt? Sobald diese Fragen individuell beantwortet sind, kehrt erst einmal wieder Ruhe ein. Die jedoch ist trügerisch. Weil sich nämlich an den Strukturen nichts ändert. Außer dass von oben immer neue Kontrollinstrumente, wie zuletzt die Jugendhilfe-inspektion, eingesetzt werden.

Und deshalb sind die ASD-Mitarbeiter jetzt zu Recht auf der Zinne. Sie verlangen die Korrektur eines 133 Millionen-Euro-Missverständnisses. Glaubt man denen, die täglich damit arbeiten, handelt es sich bei dem aberwitzig teuren Computer-Programm namens JUS-IT, das vor zwei Jahren eingeführt wurde und intern die „Elbphilharmonie des Jugendamts“ genannt wird, um ein zeitfressendes Debakel. Es sei bedienerunfreundlich, zu langsam und zu unübersichtlich. Und es halte, so die einhellige Meinung, die Mitarbeiter von ihrer eigentlichen Arbeit ab – den Besuchen bei den Familien und den Gesprächen mit den Menschen.

Sie verlangen auch als Sofortmaßnahme 65 neue Mitarbeiter und eine Begrenzung auf 28 Fälle pro Sozialarbeiter. Sie wollen es nicht mehr hinnehmen, dass sie die Leidtragenden eines Systems sind, in dem sie in dieser Form schon lange nicht mehr arbeiten wollen. Und dass die Bewahrer dieses Systems ihre Hilferufe seit Jahren einfach ignorieren. Es wird höchste Zeit, dass sie von ihrem zuständigen Senator Antworten auf ihre drängendsten Fragen bekommen.