Der Netze-Rückkauf schien unter Dach und Fach. Nun aber offenbaren sich erste Fehler

Eigentlich war es ein guter Moment für Olaf Scholz, als er am Vormittag des 16. Januar im Rathaus vor die Presse trat. Zwar hatte der Bürgermeister lange gegen den vollständigen Rückkauf der Energienetze gekämpft. Nun aber war es immerhin gelungen, den wichtigsten Teil des Volksentscheids fristgemäß umzusetzen. Das Stromnetz war gekauft, der Rückkauf der Fernwärme vereinbart. Aus der Niederlage bei der Abstimmung im September hatte Scholz, ganz überzeugter Demokrat und solider Handwerker, einen kleinen Sieg gemacht. Selbst die Berufskritiker vom BUND und die Grünen zollten ihm Respekt.

Nur ganz kurz wurde der Senatschef an jenem Vormittag ein wenig fünsch: Als jemand fragte, warum denn die Fernwärme erst 2019 gekauft werde, wo doch der Volksentscheid den vollständigen Rückkauf für 2015 verlange. Schmallippig antwortete Scholz, dass der Entscheid ja nur „zulässige Schritte“ vorsehe und dass die Abmachung mit Vattenfall anders nicht möglich gewesen sei. Weitere Nachfragen gab es nicht.

Im Nachhinein lässt sich der Unmut des Bürgermeisters womöglich besser verstehen. Denn mittlerweile wird immer klarer, dass in den Details zum Fernwärme-Rückkauf der sprichwörtliche Teufel steckt. Die Tücken finden sich vor allem in zwei Punkten: Erstens hat der Senat Vattenfall für den Kauf im Jahr 2019 einen hohen Mindestpreis auf Grundlage einer Bewertung von 2011 zugesagt. Das ist bei den Unwägbarkeiten des Energiegeschäftes ein nicht zu unterschätzendes Risiko – beinahe ein Spekulationsgeschäft. Für den Fall, dass das Fernwärmenetz bei der Begutachtung 2018 weniger wert ist als der Garantiepreis, könnte die Stadt es wohl gar nicht kaufen. Denn die Landeshaushaltsordnung lässt nicht zu, dass der Senat absichtlich Minusgeschäfte tätigt. Die Folge wäre gravierend: Der Senat würde den Volksentscheid nicht umsetzen.

Das führt zum zweiten Detailproblem: dem Grund, warum der Senat die Fernwärme erst 2019 und nicht sofort kaufen kann. Schuld ist der Vertrag, den Scholz 2012 mit Vattenfall über eine 25,1-Prozent-Beteiligung geschlossen hat. Dafür musste der Energiekonzern seine Fernwärmegesellschaft nämlich in ein Hamburger und ein Berliner Unternehmen aufspalten. Sollte Vattenfall die Hamburger Fernwärmegesellschaft nun vor Ablauf einer Siebenjahresfrist an die Stadt verkaufen, würde eine Art Spekulationssteuer fällig – laut Senat in dreistelliger Millionenhöhe. Also blieben in den Verhandlungen wohl nur zwei Optionen: Entweder der Steuerzahler übernimmt diese Zusatzkosten – oder man vertagt das Geschäft einfach um ein paar Jahre. Egal, was der Volksentscheid genau verlangt.

Dieses Problem wäre nicht entstanden, wenn Scholz den Volksentscheid abgewartet hätte, anstatt anderthalb Jahre zuvor ohne Not seine 25,1-Prozent-Lösung umzusetzen. Immer wieder haben Bürgermeister und SPD damals beteuert, der Vertrag sei im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides vollständig rückgängig zu machen. Aus heutiger Sicht war das nicht die ganze Wahrheit. Denn die 25,1-Prozent-Beteiligung hat den Rückkauf der Fernwärme wegen der Steuerprobleme verkompliziert – und ihn bei allen ohnedies vorhandenen Risiken mit weiteren Gefahren beladen. Abgesehen davon hat sich der 25,1-Prozent-Deal auch politisch für die SPD nicht gelohnt. Ganz oder gar nicht, darüber konnte man trefflich streiten. Dem Viertelkauf des Scholz-Konstrukts aber haben weder Experten noch Wähler getraut. Aus heutiger Sicht war der Vertrag von 2012 also in mehrfacher Hinsicht ein Fehler.

Beim Blick nach vorn sollte es nun vor allem um eines gehen: Das Fernwärmenetz muss in den kommenden Jahren so modernisiert werden, dass es 2019 sein Geld auch wirklich wert ist. Mit Blick auf Klimaschutz und Stadtfinanzen wäre der SPD-Senat gut beraten, schnell ein umfassendes Fernwärmekonzept vorzulegen.