Die Sorge vor der Rückkehr zum G9-Abi ist berechtigt

Es muss schon einiges zusammenkommen, damit Schulleiter so in die Offensive gehen, wie dies jetzt bei den Direktoren der Hamburger Gymnasien der Fall ist. Die Pädagogen haben die tiefe Sorge, dass sich die Gymnasien, schlicht gesagt, zu Tode siegen könnten, wenn sie auch G9 anbieten. Nach dem Motto: An der Eingangstür steht zwar noch „Gymnasium“, aber die Schulen können ihren Leistungsansprüchen und ihrem Auftrag, die Grundlage für die Studierfähigkeit ihrer Schüler zu legen, nicht mehr umfassend gerecht werden.

Die Furcht ist nicht von der Hand zu weisen: Schon jetzt ist das Gymnasium die beliebteste Schulform – rund 55 Prozent der künftigen Fünftklässler wurden in diesem Jahr an einem der 60 Standorte angemeldet. Wenn nun G9 flächendeckend an allen Gymnasien angeboten würde, dann entfiele der Grund, ein Kind für die G9-Stadtteilschule anzumelden, weil es etwas mehr Zeit zum Lernen braucht. Experten sagen für diesen Fall voraus, dass die Anmeldequote für die Gymnasien auf bis zu 70 Prozent klettern kann.

Es ist naheliegend, dass eine Schulform, die von zwei Dritteln der Jungen und Mädchen besucht wird, ein sehr breites Leistungsspektrum aufweist. Bislang sind die Gymnasien mit der Heterogenität ihrer Schülerschaft in den meisten Fällen hervorragend zurechtgekommen. Die Abi-Quote ist sogar deutlich gestiegen, was nicht allein an den Gymnasien liegt, aber auch an ihnen. Und dabei hat G8 das Leistungsniveau der Abiturienten nicht signifikant gesenkt.

Doch wer kann garantieren, dass diese Erfolgsstory auch unter veränderten Vorzeichen anhält? Wenn die Vorzeige-Schulform Gymnasium in die Krise geraten sollte, dann werden bildungsorientierte Eltern ganz schnell die Abschottung nach unten fordern und den Zugang reglementieren wollen. Oder sie werden auf leistungsorientiertere private Alternativen ausweichen. Das kann nicht im Sinn einer Schulpolitik sein, die auf Chancengerechtigkeit ausgerichtet ist.

Die Bürgerschaft muss in den G9-Verhandlungen darauf achten, dass die Balance zwischen Gymnasium und Stadtteilschulen gewahrt bleibt – auch im Interesse der Gymnasien.