Neues aus Disneyland: 14.500 Bewohner des Bezirks Mitte wollen allen Ernstes die Seilbahn – der Wahnsinn nimmt seinen Lauf, zumindest überspringt er die Hürde zum Bürgerentscheid. Am Ende werden wohl 199.000 Bürger zwischen Finkenwerder und Billstedt über die seltsamste Idee entscheiden, seit Jeff Koons und die Schill-Partei den Spielbudenplatz mit Riesenkränen und Gummitieren verschandeln wollten. Bei allem Respekt für die umtriebigen Kämpfer für den Tourismus: Was, bitte schön, soll Hamburg mit einer Seilbahn?

Muss diese Stadt denn – mal abgesehen von der Stadtbahn – eigentlich alles nachbauen, was andere Städte schon haben, was technisch möglich ist und wofür Investoren hufescharrend bereitstehen? Benötigen wir wirklich neben den Mississipi-Raddampfern auf der Elbe eine Kabinenbahn über den Fluss? Was kommt als Nächstes? Eine Seebrücke für die Alster? Eine Rolltreppe für Blankenese? Ein Konzerthaus für die HafenCity? Ach, das haben wir ja schon. Der Ärger um die Elbphilharmonie zeigt eindrucksvoll, wie schnell die Wirklichkeit hochfliegende Träume einholt und welche Kosten damit verbunden sind. Natürlich ist die Stadt ein touristisch attraktives Ziel – und soll es bleiben. Hamburg ist aber kein Vergnügungspark, sondern zunächst einmal Heimat für seine Bewohner und die Elbe seit Jahrhunderten eine Wirtschaftsstraße. Es darf bezweifelt werden, dass die Bürger St. Paulis oder die Hafenunternehmen auf eine Seilbahn gewartet haben. Und wenn sie käme – wem würde sie nützen? Steinwerder ist weder Eimsbüttel noch Finkenwerder, der Verkehrsbedarf ist überschaubar. Zudem ist der Stadtteil über den Alten Elbtunnel und Fähren gut angebunden. Die Seilbahn wäre ohnehin kein öffentliches Verkehrsmittel – sonst hätte sie Wilhelmsburg erschlossen –, sondern nur ein Spaßmobil.

Es ehrt die Investoren, dass sie der Hansestadt die Seilbahn spendieren wollen und in zehn Jahren freiwillig abbauen möchten. Aber nehmen Sie alles geschenkt? Sicherlich nicht. Zumal die 80 Meter hohen Pfeiler das einzigartige Stadtpanorama sicherlich nicht verschönern.

Politisch ist die Idee geradezu töricht. Der Streit um den Abriss der hässlichen Esso-Hochhäuser zeigt die wachsende Sorge auf St. Pauli, dass der Stadtteil zwischen Investorenstreben, Gentrifizierung und Rummelplatz zerrieben wird. Eine Seilbahn würde diese Wut ohne Not verstärken und befeuern.

Nein, lassen wir die Kirche im Dorf und die Seilbahn in den Bergen. Da gehört sie hin.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur des Abendblatts