Die Änderungen machen es den Schülern einfacher, reichen aber nicht aus. Nötig ist eine grundlegende Reform.

Klare Vorgaben für die Hausaufgaben, eine bessere Verteilung der Klausuren über das Schuljahr und nicht mehr als 34 Unterrichtsstunden in der Woche – diese neuen Regeln sind sicherlich sinnvoll, um die Schüler an den Gymnasien in ihrem Schulalltag zu entlasten. Man fragt sich nur, warum Veränderungen nicht längst angestoßen wurden, schließlich hatten die Schulpolitiker dazu seit der Einführung der Reform zwölf Jahre lang Zeit.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) weist zwar den Verdacht weit von sich, er habe die Entlastungsmaßnahmen nur aus taktischen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt vorgestellt, um den Gegnern des Turbo-Abiturs, die einen Volksentscheid anstreben, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dennoch scheint klar: Ohne deren Druck wäre wohl nichts passiert. Schließlich ist zwölf Jahre lang wenig passiert. Um die G8-Gegner nun noch mit dem Gymnasium in seiner jetzigen Form zu versöhnen, kommen die Maßnahmen aber sicherlich zu spät. Sie werden zwar etwas Erleichterung bringen, den Alltag an den Schulen aber – so ist zu befürchten – nicht wirklich grundlegend ändern.

Die Versäumnisse der Vergangenheit sind nicht allein Rabe anzulasten, der das Amt erst 2011 übernommen hat, sondern der Phalanx der früheren Schulsenatoren – angefangen mit dem FDP-Politiker Rudolf Lange, der die Reform 2002 anschob. Längst hätte über eine angemessene Ausgestaltung von G8 intensiv nachgedacht werden müssen. Die SPD, die seinerzeit kein Fan von G8 war, steht nun vor dem Problem, wie sie mit dem wachsenden Unmut umgehen soll. Das mag sie als ungerecht empfinden, aber so ist die Realität.

Zu beneiden ist sie um diese Aufgabe nicht. Im Senat hat sich auch aufgrund der kürzlich veröffentlichten Abendblatt-Umfrage die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Volksentscheid – so er denn kommt – kaum zu gewinnen wäre angesichts einer breiten Mehrheit von 70 Prozent der Bürger, die sich eine Rückkehr zu G9 wünschen. So muss man im Rathaus versuchen, in den Verhandlungen doch noch eine Einigung mit der Elterninitiative hinzubekommen, auch wenn das nicht ganz einfach wird. Auf jeden Fall wird die SPD versuchen, das Thema G8 aus dem Bürgerschaftswahlkampf herauszuhalten. Zudem soll Schulsenator Rabe gebührenden Abstand von der Problematik wahren, weil er dazu neigt, den Streit persönlich zu nehmen, und politisch beschädigt zu werden droht.

Das Thema bringt den Senat auch deshalb in die Bredouille, weil die Bürger einander widersprechende Forderungen an die Politik richten. Einerseits wollen die Hamburger mehrheitlich, dass die Gymnasium wieder das neunjährige Abitur anbieten, andererseits sollen die Stadtteilschulen endlich gestärkt werden. Würde der Senat der Volksinitiative aber nachgeben und den Schülern an allen Gymnasien wieder neun Jahre Zeit zum Lernen einräumen, wären die Stadtteilschulen strukturell geschwächt, da kann man sie mit noch so viel Geld ausstatten. Dies den Bürgern ausgerechnet in einem Wahljahr zu vermitteln wird nicht leicht.

Ohnehin tut der Wahlkampf dem komplexen Problem nicht besonders gut. Längst ist der Unmut über G8 zu einem bundesweiten Thema geworden, wie der gemeinsame Auftritt zahlreicher Initiativen aus verschiedenen Bundesländern in dieser Woche in Berlin zeigt. Vielleicht täte man gut daran, grundsätzlich darüber nachzudenken, wie sich die Gymnasien angesichts sich wandelnder Anforderungen ausrichten müssen und unter welchen Bedingungen Schüler auf ihrem Weg zum Abitur lernen sollten. Und zwar mit der Muße, die sich viele Eltern auch für ihre Kinder beim Lernen wünschen. Und ohne Eins-zwei-drei-Maßnahmenpakete oder die Zuspitzungen des Wahlkampfes.