Deutschland erwirtschaftet Überschüsse – noch

Es sind Zahlen, die der Großen Koalition gefallen dürften: Deutschland hat im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge einen kleinen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Immerhin 300 Millionen Euro haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung mehr eingesammelt, als sie ausgegeben haben.

Diese Zahlen liefern den Koalitionären der Union und SPD aber kein Argument, auf die eigene Leistung stolz zu sein. Und noch weniger sind sie Anlass für Wohltaten. Nicht das Geschick der Gegenwart, sondern der Mut der Vergangenheit haben diese Überschüsse mit ermöglicht. Deutschland profitiert noch immer von den Reformen, die die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) in den Krisenjahren angestoßen hat – und von einem Trend, der sich selbst verstärkt. Läuft die Wirtschaft so gut wie in den vergangenen Jahren, profitieren alle: Mit rund 42,2 Millionen Erwerbstätigen hatten so viele Menschen wie noch nie einen Job, zuletzt stiegen die Löhne deutlich. Das schont zum einen die Sozialkassen, weil weniger staatliche Hilfen nötig sind; zum anderen füllt es sie, weil mehr Personen einzahlen und konsumieren. Das Wirtschaftswunder befeuert sich selbst.

Zumindest so lange, bis eine Weltrezession dazwischenkommt oder die Politik der Wirtschaft in die Speichen greift. Für das laufende Jahr erwarten die Experten weiteres Wachstum. Zugleich aber mehren sich die Zweifel gerade beim Blick auf die Politik der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Die Mischung aus neuem Mindestlohn und milliardenschweren Rentenreformen könnte das Wachstum in den kommenden Jahren schwächen. Der schamlose Griff in die Kassen der Sozialversicherung, die im vergangenen Jahr mit einem Überschuss von 6,6 Milliarden Euro der Berliner Regierung die Bilanz rettete, ist brandgefährlich.

Das Rentenpaket – dies befürchten Oppositionspolitiker der Grünen wie Unternehmerverbände unisono – dürfte deutlich teurer werden als von der Regierung veranschlagt. Inzwischen kursieren Kostenschätzungen in Höhe von zusätzlich 230 Milliarden Euro bis 2030. Damit könnte diese Reform einen Negativkreislauf aus fallender Beschäftigung und steigenden Sozialtransfers in Gang setzen, also genau den Teufelskreis, den die Agenda 2010 einst stoppte.