Tyrannensturz allein garantiert aber keine bessere Zukunft

Nach wochenlanger Konfrontation und zunehmender Gewalt vollzieht sich nun in der Ukraine ein rasend schneller Umbruch: Ex-Präsident Janukowitsch auf der Flucht, Julia Timoschenko aus dem Gefängnis zurück auf der politischen Bühne, ein bislang gelähmtes Parlament, das im Rekordtempo Gesetze verabschiedet.

Doch die Dynamik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die großen Probleme des Landes erst noch der Lösung harren. Der Staat ist praktisch pleite, die Spaltung zwischen europaorientiertem Westen und russlandfreundlichem Osten ist alles andere als überwunden. Wenn nationalistische Kräfte bei der Bildung einer neuen Regierung an Einfluss gewinnen, dürften diese Spannungen eher zunehmen. Demokratische Strukturen aufzubauen ist in einem Land, das seit seiner Unabhängigkeit stets nur von wechselnden Oligarchen-Cliquen – Timoschenko eingeschlossen – beherrscht wurde, keine Frage von Wochen, sondern eher von Jahren.

Ein erster Schritt dahin sind die angesetzten demokratischen Wahlen im Mai. Ein zweiter wesentlicher Punkt besteht in internationaler Unterstützung. Anders können weder der Wandel zur Demokratie, eine Modernisierung der Wirtschaft und damit eine Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung noch die Erhaltung der Einheit des Landes gelingen.

Viele Ukrainer setzen dabei große Hoffnungen auf die EU. Nicht umsonst war die kurzfristige Absage an das Assoziierungsabkommen mit Brüssel der Auslöser des Aufstandes gegen Janukowitsch. Angesichts der krisenbedingten eigenen Probleme kein leicht einzulösendes Versprechen für die Gemeinschaft. Vor allem darf sich die EU nicht auf einen Dualismus – entweder wir oder Russland – einlassen. Aufgrund ihrer Geschichte und ihrer Geografie kann es für die Ukraine kein Entweder-oder geben. Die Europäer und die USA werden gemeinsam mit Moskau einen Weg finden müssen, wie das zweitgrößte Land des Kontinents stabilisiert werden kann. Ansonsten gilt für die Ukraine dasselbe wie für den Arabischen Frühling: Ein erfolgreicher Tyrannensturz allein garantiert keine bessere Zukunft.