Jetzt muss das Volksbegehren zum Turbo-Abitur kommen

Mehr als zwei Drittel der befragten Hamburger wollen eine Rückkehr zum längeren Weg bis zum Abitur am Gymnasium – G9 statt Turbo-Abitur. Dieses Ergebnis der Abendblatt-Umfrage ist eine Momentaufnahme, sicher. Aber zweierlei lässt sich daraus ableiten: Erstens ist die Chance dahin, dass die Bürgerschaftsfraktionen noch zu einem Kompromiss mit der Volksinitiative „G9-Jetzt-HH“ kommen, um ein Volksbegehren abzuwenden.

Mit 70 Prozent Zustimmung im Rücken wird keine Volksinitiative auf ihre Gegner zugehen, um einvernehmliche Regelungen auszuloten. Der G9-Initiative geht es jetzt mehr denn je um 100 Prozent ihrer Forderungen. Alle Vorschläge, G8 zu entschleunigen, den Stress für die Kinder zu mindern und mehr Freiräume für Sport und Hobbys zu schaffen, hätten längst umgesetzt werden müssen, um ihre Wirkung entfalten zu können.

Zweitens ist es auch im Sinne einer lebendigen Demokratie richtig, den nächsten Schritt auf dem Weg zum Volksentscheid zu gehen. Angesichts der offensichtlich vorhandenen Stimmungslage in der Bevölkerung und der (wieder einmal) ganz anderen Meinung der Bürgerschaft mit ihren fünf Fraktionen sollte die direkte Befragung der Wahlberechtigten die Entscheidung bringen.

Die Parallele zum Volksentscheid gegen die Primarschule 2010 liegt auf der Hand: Damals zeigte das Volk der von CDU und Grünen ausgeheckten und von SPD und Linken mitgetragenen Reform die Rote Karte. Aber Geschichte wiederholt sich nicht zwangsläufig, zumal es bislang keine vergleichbare Mobilisierung gegen das Turbo-Abitur wie damals gegen die Primarschule gibt. Und die Parteien müssen ein Volksbegehren nicht fürchten, weil sie gewichtige Argumente für ihr Nein zu G9 am Gymnasium haben. Vor allem dies: Die Stadtteilschulen bieten flächendeckend G9 an. Diese Schulform würde stark geschwächt, und etliche Standorte wären in ihrer Existenz bedroht, weil noch mehr als 55 Prozent der Viertklässler – wie schon jetzt – auf Gymnasien angemeldet würden. Von diesen Risiken müssen die Parteien die Hamburger beim Volksbegehren überzeugen.