Die Grünen laden ihre Mitglieder zur Urwahl ein - ein konsequenter Schritt

Dass es für die Hamburger Grünen in den vergangenen drei Jahren richtig gut gelaufen ist, wird niemand behaupten wollen. Das erste schwarz-grüne Regierungsbündnis auf Landesebene, geschlossen 2008, war ein strategisches Husarenstück mit bundesweiter Strahlkraft, weil es die Lagergrenzen überwand. Dass die Liaison nach dem Honeymoon vorzeitig scheiterte, lag an der personell und inhaltlich ausgezehrten CDU ebenso wie an den Grünen, die mit zwei Großprojekten – Primarschule und Stadtbahn – offensichtlich Politik an der Mehrheit der Stadt vorbei machen wollten.

Dass die Grünen die Notbremse zogen und das Bündnis platzen ließen, haben die Wähler ihnen 2011 nicht gedankt, sondern die Partei in die Opposition geschickt. Viele grüne Strategen empfanden das als Schmach mit der Wirkung eines Schocks. Mit grüner Gründlichkeit – die Grünen waren in Sachen Diskussionseifer immer schon Musterknaben – hat die Partei zwei Jahre lang Nabelschau betrieben und nach Ursachen für den Misserfolg geforscht.

Natürlich lassen sich immer viele Gründe für politische Siege und Niederlagen finden. Ein Phänomen sticht besonders heraus: Bei den Hamburger Grünen bestimmte über die Jahre eine überschaubare Zahl engagierter und versierter Funktionäre und Fachpolitiker, wo es in der Partei langging. Zwar haben die Grünen anstelle von Delegierten-Parteitagen das urdemokratische Instrument der Mitgliederversammlung, auf der jedes Mitglied stimmberechtigt ist. Aber nachdem die einstigen Flügelkämpfe zwischen Realos und Fundis abgeklungen sind – auch weil letztere praktisch nicht mehr existieren – haben die Mitgliederversammlungen arg an Lebendigkeit eingebüßt.

Ein wichtiger Punkt kommt hinzu: Wie basisdemokratisch ist eine Mitgliederversammlung in einer Partei mit 1600 Mitgliedern wirklich, wenn nur 200 bis 300 Frauen und Männer zu den Abstimmungen kommen? Oder anders ausgedrückt: Die schweigende Mehrheit grüner Parteigänger „tickt“ vielleicht anders als das Gros der Funktionäre. Für diese These spricht schon deswegen viel, weil auch viele Wähler der Grünen mit der Partei gealtert sind. Soll heißen: Die Grünen sind gerade in einer Stadt wie Hamburg zu einer Partei der etablierten (älteren) Besserverdienenden geworden, die politischen Experimenten (die Schulreform!) gegenüber heute viel weniger aufgeschlossen sind als vor 20, 30 Jahren. Insofern haben die Hamburger Grünen eine richtige Konsequenz gezogen, indem sie auf mehr Beteiligung setzen. In Foren und Werkstätten haben sie ihre eigenen Mitglieder, aber auch alle Bürger zum Beispiel danach gefragt, welche Verkehrspolitik sie wollen.

Der Schritt zu einer Urwahl der Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl im Februar 2015 ist da nur folgerichtig. Bezogen auf die Hamburger Parteienkonkurrenz ist er sogar überfällig, denn selbst SPD und CDU haben mit Mitglieder-Urabstimmungen schon Erfahrungen – zum Beispiel bei der Wahl von Landesvorsitzenden.

Eins ist aber auch klar: Um an den Wahlurnen wieder erfolgreicher zu sein, bedarf es mehr als nur schöner Formen der Bürger- und Mitgliederbeteiligung. Der grüne Frühstart in die Wahlauseinandersetzung des Jahres 2015, der mit den Bewerbungen um die Spitzenkandidaturen jetzt eingeleitet wird, führt bereits dazu, dass manche Spitzen-Grüne schon wieder sehr selbstverständlich von der Regierungsbeteiligung reden. Aber auch diese Lehre sollte die Partei aus der Wahl 2011 beherzigen: Die Wähler honorierten nicht, dass die Grünen direkt von Schwarz-Grün zu Rot-Grün wechseln wollten. Wer Olaf Scholz und die SPD vor der Wahl hart attackiert, aber trotzdem Rot-Grün als Wahlziel verfolgt, der setzt sich dem Verdacht aus, am Ende doch als billiger Jakob in den Senat einziehen zu wollen.