Der frühere Justizsenator Till Steffen will bei den Grünen Spitzenkandidat neben Katharina Fegebank werden und übt Kritik an Bürgermeister Scholz (SPD).

Hamburg. Das Personalkarussell zur Bürgerschaftswahl im Februar 2015 nimmt bei den Grünen Fahrt auf. Der frühere Justizsenator Till Steffen bewirbt sich um die männliche Spitzenkandidatur, also Listenplatz zwei, im Rahmen einer Doppelspitze. In der vergangenen Woche hatte Parteichefin Katharina Fegebank erklärt, auf Listenplatz eins kandidieren zu wollen.

„Ich hätte große Lust, Teil des Spitzenteams zu sein und an einem Programm zu arbeiten, das klar beschreibt, wohin wir wollen und was wir besser machen würden“, sagt der 40 Jahre alte Rechtsanwalt im Gespräch mit dem Abendblatt. Steffen, der Sozius in einer Anwaltskanzlei ist, gehört der Bürgerschaft seit 2004 an und ist verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Wie berichtet, entscheidet die Landesmitgliederversammlung der Grünen am 19. Januar, ob über die Spitzenkandidatur in einer Urwahl entschieden werden soll. Dieses Verfahren hat der Landesvorstand unter anderem deswegen vorgeschlagen, weil so die Mobilisierung erhöht und die Bedeutung der Landesliste gestärkt werden kann. Zuletzt waren zwölf der 14 Grünen-Abgeordneten über die Wahlkreise in die Bürgerschaft eingezogen. Entscheidend für die Zahl der Sitze ist jedoch das Landesstimmenergebnis.

Der Vorschlag des Landesvorstands sieht außerdem vor, eine Doppelspitze per Urwahl zu bestimmen – also eine Frau und einen Mann auf den ersten beiden Plätzen. Vorbild sind die Bundes-Grünen, die ihr Spitzenduo für die Bundestagswahl im September 2013 erstmals auf diesem Weg gekürt hatten.

Steffen, der als analytischer und strategisch-konzeptioneller Kopf in seiner Partei gilt, will das Profil der Grünen schärfen. „Grüne Themen haben Konjunktur und sind beliebter als unsere Partei“, sagt Steffen. Als Beispiele nennt er den Klima- und Ressourcenschutz, die Verteidigung von Grundrechten und den Umgang mit Flüchtlingen. Die grundsätzliche Zustimmung sei eine Chance, wenn es den Grünen gelinge, „diese Themen glaubwürdig zu vertreten und mit konkreten Angeboten an die Stadt zu verbinden“.

Nach Ansicht Steffens liegt eine zentrale politische Herausforderung in den nächsten Jahren darin festzulegen, wie die Zukunft der Stadt aussehen soll. Die Wohnbedürfnisse der Menschen änderten sich, es gebe andere Ansprüche an die Mobilität. Der Jurist wirft Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor, wichtige Zukunftsfragen wie etwa die nach dem Verhältnis von Grünflächen, öffentlichen Plätzen, Verkehr und bebauten Flächen auszusparen. „Olaf Scholz will glauben machen, die einzig erforderliche Antwort sei, genug Wohnungen zu bauen, und das Problem der steigenden Mieten wie auch alle anderen Probleme seien gelöst“, sagt Steffen.

Die Grünen hätten dagegen die Aufgabe, Vorschläge zum Erhalt und zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt vorzulegen. In einem ist sich der Verkehrspolitiker Steffen schon sicher: „Der Schlüssel für viele der erforderlichen Veränderungen liegt im Verkehr – der Verkehr muss Fläche abgeben, damit anderes stattfinden kann.“

Steffen ist der Überzeugung, dass angesichts der Nutzungskonflikte und unterschiedlichen Interessen eine umfassende Beteiligung der Bürger erforderlich ist. „Der von Olaf Scholz etablierte Zentralismus passt zur Lösung vermeintlich einfacher Probleme“, sagt der Grünen-Politiker mit einem weiteren Seitenhieb auf den Bürgermeister.

Dass aus Steffens Sicht der Hauptgegner der Grünen im Wahlkampf Scholz und die SPD sein müssen, zeigt sich auch an einem zweiten Schwerpunktthema des Juristen: dem Datenschutz und dem Schutz der Grundrechte. „Von Hamburg als Stadt, die so stolz ist auf ihre Unabhängigkeit und Liberalität, müsste ein politisches Signal ausgehen, dass man der massenhaften Überwachung zum Beispiel durch die NSA entgegentritt“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete. Scholz ignoriere diese Themen aber. „Ob sein Handy von der NSA abgehört wird, ist ihm egal“, sagt Steffen, der dann sehr schnell bei der Tagespolitik landet. „Für uns Grüne liegt eine politische Aufgabe darin, dass es keine Gewöhnung an die Überwachung Unschuldiger gibt“, so Steffen, der damit auf die Einführung verdachtsunabhängiger Kontrollen in Teilen der Stadt anspielt. Für die Einführung der Urwahl ist eine Zweidrittelmehrheit auf der Landesmitgliederversammlung erforderlich. Derzeit gilt der Ausgang der Abstimmung als offen. Unabhängig vom Wahlverfahren hat Parteichefin Fegebank vorgeschlagen, nach der Sommerpause eine „Roadshow“ aller Bewerber um die Spitzenposten zu starten. Die Kandidaten sollen sich in dezentralen Veranstaltungen der Parteibasis vorstellen.

Derzeit gilt als eher unwahrscheinlich, dass Fegebank auf Listenplatz eins mit einer ernst zu nehmenden Konkurrentin rechnen muss. Spannender könnte es dagegen auf dem „Männerplatz“ werden. Denkbar ist unter anderem, dass auch Bürgerschafts-Fraktionschef Jens Kerstan seinen Hut in den Ring werfen wird.