Anschläge am Kaukasus sollen zum Gottesstaat führen

Die schweren Anschläge von Wolgograd sind die jüngste Episode in einem blutigen Konflikt, der bereits seit mehr als 400 Jahren schwelt und der sich immer wieder in Kriegen und Terrorakten entladen hat. Der Kern der Feindschaft wurde gelegt, als der russische Zar Iwan IV. „Grosny“ – der berüchtigte „Schreckliche“ – im 16. Jahrhundert Kosaken in Tschetschenien stationierte. Die Namen auf einer Kaukasus-Karte lesen sich wie eine Auflistung von Kriegszonen: Tschetschenien, Dagestan, Abchasien, Nord- und Südossetien, Georgien. Die beiden zwischen Russland und tschetschenischen Rebellen geführten Kriege 1994–96 sowie 1999–2009 gehörten zu den grausamsten Konflikten unserer Zeit. Auf dem Kaukasus überkreuzen sich hartleibige Separationsbestrebungen, unterschiedliche strategische Interessen der USA und Russlands, Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Clans und kriminellen Banden sowie der globale Kampf zwischen militantem Islamismus und weltlichem Herrschaftsmodell. Russlands Herrschaft auf dem Kaukasus war oft von Brutalität und wenig Toleranz geprägt – was die Radikalisierung des lokalen Islam begünstigt hat.

Der moderne Zar Wladimir Putin lässt Tschetschenien von seinem üblen Vasallen Ramsan Kadyrow regieren, dem Morde, Folterorgien und andere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Das benachbarte Dagestan ist derweil zum Nebenkriegsschauplatz und Hort militanter Islamisten geworden. Das zynische Kalkül von Doku Umarow, dem selbst ernannten „Emir des Kaukasus-Emirats“, der die gesamte Region einschließlich einiger türkischer Gebiete zu einem islamischen Gottesstaat machen will, ist es, per Terror nicht nur Olympia in Sotschi zu torpedieren und damit den verhassten Kreml zu treffen. Indem er möglichst viele Zivilisten töten lässt, will er die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für sich und den halb vergessenen Konflikt nutzen.

Bei aller berechtigter Kritik an den gravierenden Fehlern von Putins „gelenkter Demokratie“ – Moskau darf sich dem Terror von Radikalislamisten nicht beugen, die Frauen als lebende Massenvernichtungswaffen einsetzen.