Aber Politiker schwänzen den Kongress der Netzexperten
Sie haben es alles und immer schon vorher gewusst. Seit vor nunmehr fast 30 Jahren der Hamburger Chaos Computer Club (CCC) über den BTX-Dienst der damals noch staatlichen Bundespost ein Onlinekonto der Hamburger Sparkasse hackte, ist die Expertise seiner Mitglieder unbestritten. Die bürgerrechtlich bewegten Computerfreaks der ersten Stunde konnten sich danach vor Beratungsnachfragen aus Politik und Wirtschaft kaum retten. Auch die CCC-Sprecherin, die Informatikerin Constanze Kurz, bereichert inzwischen jede einschlägige Talkshow mit Sachkenntnis und Engagement.
Umso unverständlicher ist es, dass sich zum 30. Jahrestreffen des Clubs in Hamburg offenbar kein deutscher Politiker dort sehen ließ. Von der neuen Datenschutzbeauftragten ganz zu schweigen. Sie sagte dankend ab. Und das am Ende eines Jahres, das der Welt mit der NSA-Spitzelaffäre um den abtrünnigen amerikanischen Geheimdienstler Edward Snowden den größten Datenschutzskandal aller Zeiten beschert hat und in dem praktisch die gesamte Internetwirtschaft in den Ruch der Mittäterschaft organisierten millionenfachen Datendiebstahls geraten ist. Diese Absage der deutschen Netzpolitiker-Garde ist nicht nur fahrlässig. Sie ist ignorant.
Man fragt sich, ob es auf Unfähigkeit oder Vorsatz schließen lässt, wenn die Politik eines der qualifiziertesten Foren, das die Republik auf diesem Gebiet vorweisen kann, links liegen lässt. Mag sein, dass der Untergang der Piratenpartei bei der Bundestagswahl zu dem Fehlschluss verleitet, dass der Hype abgeflaut sei und man sich mit Vertretern der Netzszene nicht mehr unbedingt öffentlich zeigen muss, um als Politiker modern und zukunftsgewandt zu wirken. Solange allerdings Impulsgeber und Fachleute, wie sie in dem Hamburger Club zusammengefunden haben, mit ihren Analysen und politischen Schlussfolgerungen dem politikamtlichen Kenntnisstand weit überlegen sind, bleibt die Abstinenz der politischen Klasse bei dem aktuellen Treffen völlig unverständlich.
Immerhin passt das zu einem Koalitionsvertrag, der netzpolitisch nur Allgemeinplätze zu bieten hat.