Russlands Opposition braucht Hilfe, keinen Heiligenschein.

Der russische Vorname Wladimir bedeutet etwa „groß in seiner Macht“. Und einer seiner bekannten Träger, Russlands Präsident Putin, macht ihm gerade alle Ehre. Der ehemalige Geheimdienstler hält die Zügel fester denn je in der Hand. Die bürgerliche Opposition hat sich vorerst totgelaufen. Die Ukraine hat er erfolgreich in ihrem Europakurs gestört, sein Gnadenakt gegenüber Michail Chodorkowski beruhigt die Kritiker vor den Winterspielen in Sotschi. Und er schafft einen potenziellen politischen Konkurrenten außer Landes und stellt ihn kalt.

Die „gelenkte Demokratie“ trägt für den Kreml-Herrscher Früchte. Dem Westen bleibt nicht viel, als demokratische Bewegungen nach Kräften zu unterstützen und einzelnen Opfern des diktatorischen Vorgehens zu helfen. Allerdings läuft er immer wieder Gefahr, manche Figuren ikonenhaft zu verklären. Das beginnt bei dem in Deutschland überaus populären Michail Gorbatschow. Ein Kommunist, der das Sowjetsystem reformieren und nicht etwa zum Einsturz bringen wollte.

Das gilt für Julia Timoschenko in der Ukraine, die nicht nur unter fragwürdigen Umständen in Haft sitzt, sondern selbst einst undurchsichtige Geschäfte tätigte und mit Konkurrenten um Macht und Millionen nicht zimperlich umging. Das gilt für Alexei Nawalny, der in Russland nicht nur ein unerschrockener Kämpfer gegen die grassierende Korruption ist. Er hat auch schon einmal militante Kaukasier Kakerlaken genannt, die mit der Pistole zu bekämpfen seien. Und auch der jetzt gefeierte Ex-Oligarch Chodorkowski hat seine Milliarden nicht nur durch ehrliche Arbeit in wenigen Jahren erwerben können.

Um die Vorgänge im Osten verstehen und beurteilen zu können, genügt es nicht, eins zu eins westliche Maßstäbe anzuwenden. Und wer bei der Unterstützung von Putins Gegnern zu schnell in Heldenverehrung verfällt, macht es der Gegenpropaganda aus dem Kreml leicht, diese beim Volk zu diskreditieren – als aus dem Westen gesteuerte Diebe am Volksvermögen. Russlands Opposition braucht und verdient unsere Hilfe. Mit Heiligenscheinen ist ihr aber nicht gedient.