Banker brauchen ein neues Selbstverständnis, sonst reißen die Skandale nicht ab

An Bekenntnissen von Spitzenbankern, dass sich die Branche lange Zeit falsch verhalten habe, mangelt es seit der Finanzkrise 2007/2008 nicht – wo immer ein Chef eines großen Kreditinstituts eine Rede hält, die über die bloße Verkündung von Geschäftszahlen hinausgeht, gehört dieses Eingeständnis nahezu ritualhaft hinzu. Wie vielfältig die skandalösen Verhaltensweisen aber waren, gelangt erst nach und nach an die Öffentlichkeit.

Dass man Privatanlegern hoch riskante Papiere verkauft und manchmal sogar gegen die eigenen Kunden spekuliert hat, gehört nicht zu den neueren Erkenntnissen. Im Falle solcher Geschäfte könnte man den Bankern auch noch zugutehalten, sie hätten sich die Gier einiger renditehungriger Kunden zunutze gemacht.

Doch es gibt Vorfälle, die anders liegen. Das gilt etwa für die erst im Sommer 2012 aufgedeckte Manipulation von Referenzzinssätzen wie dem Libor. Und es gilt für die Steuertricks mit dem sogenannten Dividendenstripping, wie es nun auch die HSH Nordbank eingeräumt hat. Diese beiden Machenschaften verbindet eines: Bankmitarbeiter haben rechtswidrige oder zumindest juristisch zweifelhafte Dinge getan, um mit höheren Erträgen glänzen und damit höhere Boni einstreichen zu können.

Zwar haben die Geldhäuser auch auf Druck von Aufsichtsbehörden seit 2008 ihre Bonussysteme geändert – die Beschäftigten bekommen das Geld gewissermaßen erst mit Verzögerung ausgezahlt, um nicht ein extrem kurzfristig orientiertes Geschäftsgebaren zu belohnen. Doch eindeutig ist: Das Wettrüsten in der Branche um die findigsten Investmentbanker mit dem höchsten Marktwert geht ungeachtet aller Sonntagsreden weiter.

So hat etwa die Deutsche Bank ihren Bonustopf zuletzt trotz eines drastischen Gewinneinbruchs nur von 3,5 Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden Euro verringert. Es darf bezweifelt werden, ob die Ethikseminare, die die Doppelspitze des Konzerns der Belegschaft verordnet hat, für den viel beschworenen „Kulturwandel“ ausreichen, solange den Managern derart üppige finanzielle Anreize für gute Zahlen in ihren Abteilungen winken. Denn vielleicht ist es kein Zufall, dass ein Ex-Mitarbeiter, der im Jahr 2008 mit einem Bonus im deutlich zweistelligen Millionen-Euro-Bereich als der bestbezahlte Beschäftigte der Deutschen Bank galt, nach heutigen Erkenntnissen eine der Schlüsselfiguren des Libor-Skandals war.

Zweifellos haben die Regierungen ihre Anstrengungen in der Bankenregulierung seit 2008 deutlich verstärkt. Ein grundlegender Wandel in der Branche ist aber dennoch nicht wirklich erkennbar. Einen Hinweis darauf, wie man einen solchen Wandel herbeiführen könnte, liefert womöglich die Antwort auf die Frage, was einen Banker tatsächlich beeindruckt: Es sind Zahlen, vor allem große Zahlen. In den USA hat man das offenbar verstanden. Dort drohen Milliardenstrafen für Bankenskandale, zuletzt musste JPMorgan 13 Milliarden Dollar wegen dubioser Immobiliengeschäfte zahlen. Und auch in Europa geht man nun in diese Richtung: Die EU-Kommission hat gegen mehrere Großbanken wegen der Manipulation von Zinssätzen wie dem Libor eine Rekordbuße von insgesamt 1,7 Milliarden Euro verhängt.

Doch Strafen sind nicht alles. Wenn Bankchefs einräumen, der erwünschte Kulturwandel werde etliche Jahre benötigen, kann man dies auch als Eingeständnis werten, dass man über lange Zeit die falschen Mitarbeiter angezogen und eingestellt hat. Das war nicht immer so. Bis in die 1980er-Jahre hinein verstanden sich Banker in Deutschland als Dienstleister der Wirtschaft und nicht als die Herren der Welt – wie mancher Wall-Street-Investmentbanker. Solange diese Dienstleistungsmentalität nicht wieder in den Köpfen verankert ist, bleibt „Kulturwandel“ ein hohles Wort.