Der rasante Ausbau von Schulkantinen in Hamburg geht zulasten der Qualität des Essens.

Früher war manches anders, aber nicht unbedingt besser. Die Schule in Deutschland war über Jahrzehnte eine Vormittags-Veranstaltung. Die Kinder kamen um 13 Uhr, spätestens 14 Uhr nach Hause, rechtzeitig, um das von der Mutter frisch zubereitete Essen zu sich zu nehmen. Das jedenfalls war die (in den meisten Fällen wohl auch zutreffende) Theorie, aber es gab immer schon „Schlüsselkinder“, auf die niemand zu Hause wartete und die sich im Zweifel selbst versorgen mussten.

Innerhalb weniger Jahre hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen, der das traditionelle Familienbild mit Alleinverdiener, „Hausfrau“ und Kindern beinahe an den Rand gedrückt hat. Heute prägen doppelt-erwerbstätige Eltern und Alleinerziehende die Wirklichkeit – in großen Städten wie Hamburg allemal.

Die Schulpolitik hat auf die veränderten Rahmenbedingungen und die damit einhergehenden Herausforderungen eine Antwort gefunden und längst mit dem Ausbau von Ganztagsschulen begonnen. Der Ganztag bietet nicht zuletzt auch pädagogische Vorteile neben der längeren Betreuung: Schüler aus problematischen Elternhäusern können besser an Bildungsinhalte herangeführt werden, wenn sie länger in der Schule sind. Und: Die Schule kann durch gute Nachmittagsangebote Interesse und Begeisterung für Freizeitaktivitäten, für Sport und Musik wecken, die sonst vielleicht bei jungen Menschen unentdeckt geblieben wären, die ihren Blick vor allem auf Mattscheiben richten.

Nur eines ist mit dem Ganztag vermacht: Wer Kinder in der Regel von 8 bis 16 Uhr in der Schule unterrichten und betreuen will, der muss auch für ihre Ernährung sorgen. Der Einbau von Kantinen und Küchen ist allerdings sehr teuer, weil die Schulen baulich darauf nicht eingerichtet sind und die hygienischen Standards bei der Essensversorgung junger Menschen zu Recht hoch sind.

Hamburg liegt, was den Ganztagsschulausbau angeht, im Bundesvergleich weit vorn. Der seit 2011 amtierende SPD-Senat hat das Ausbautempo derart rasant beschleunigt, dass innerhalb weniger Jahre praktisch alle Grundschulen und die meisten Stadtteilschulen auf Ganztagsbetrieb umgestellt sein werden – übrigens auf eigenen Antrag, nicht etwa von oben verordnet. Die zügige Umstellung ist einerseits sehr sympathisch, weil es keine lange Phase ungleicher Voraussetzungen zwischen benachbarten, um Schüler konkurrierende Schulen gibt.

Der gravierende Nachteil liegt auf der Hand: Der Senat setzt bei seinem Turbo-Ausbauprogramm zwangsläufig mehr auf Masse als auf Klasse. Immer wieder gibt es daher vehemente Klagen über die Qualität des Essens, über die zu späte Fertigstellung von Küchen und Kantinen oder deren baulichen Zustand, über lange Wartezeiten bei der Ausgabe der Mahlzeiten und Essen in Schichten. Die Kritik ist zum einen Folge des überstürzten Umbaus zum Ganztagsbetrieb. Aber nicht nur.

Wer selbst Kinder in der Schule hat, wünscht sich für seinen Nachwuchs selbstverständlich eine vollwertige, frisch zubereitete und abwechslungsreiche Ernährung. Diesem Idealzustand kommt man mit einer Produktionsküche am nächsten, wo die Essen Tag für Tag gewissermaßen von Hand zubereitet werden. Angesichts von mehreren Hunderttausend Euro Baukosten ist es aber unrealistisch, jede der 350 staatlichen allgemeinbildenden Schulen mit einer Vollfunktionsküche auszustatten.

Die Klagen der Eltern richten sich gegen die Aufwärmküchen, die deutlich billiger und das Hamburger Standardmodell sind. Aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß: Einerseits ist es sinnvoll, wenn Produktionsküchen benachbarte Schulen mitversorgen. Andererseits kann auch eine Aufwärmküche so gestaltet werden, dass ein Teil des Essens – Salate zum Beispiel – frisch zubereitet werden können. Das wäre immerhin ein Anfang.