Hamburg und die Meteorologen haben aus früheren Wetterkatastrophen gelernt.

Nun ist es vorbei. Der Wintersturm „Xaver“ hat sich ausgetobt, die Bilanz im Norden Deutschlands ist durchwachsen. Die Schäden sind geringer als befürchtet, auch wenn man die Todesopfer in Schottland und Polen nicht vergessen darf.

Natürlich stellen viele Menschen jetzt die Frage, ob Meteorologen, staatliche Einrichtungen und Medien den Orkan überschätzt haben und die Warnungen übertrieben waren.

War es wirklich notwendig, Weihnachtsmärkte und Schulen zu schließen? War es in Ordnung, dass viele Arbeitnehmer am Donnerstag schon am frühen Nachmittag nach Hause gingen? Mussten die Schulen geschlossen bleiben?

Die Fakten, so weit bislang bekannt, bestätigen die Vorsichtsmaßnahmen. „Xaver“ war ein echter Wintersturm mit Windböen, die mit weit über 100 Kilometern pro Stunde über das Land rasten. Mehr als 10.000 Feuerwehrleute waren im Norden Deutschlands im Einsatz. Hamburg erlebte mindestens drei Sturmfluten; zwei davon waren schwer. Dies ist, so bestätigen es Experten, sehr selten.

Natürlich gehört zu den Fakten auch, dass „Xaver“ deutlich weniger Schaden anrichtete als Orkan „Christian“ Ende Oktober. Wir erinnern uns: „Christian“ stürzte seinerzeit Regionen in Norddeutschland, Dänemark, Südengland, Schweden und in den Niederlanden ins Chaos. Mindestens 14 Menschen kamen ums Leben. Tausende Berufspendler steckten in Bussen und Nahverkehrszügen fest, weil der öffentliche Personen- und Nahverkehr zusammenbrach.

Gerade an dem Herbststurm „Christian“ lässt sich die Notwendigkeit rechtzeitiger Vorhersagen zeigen. Dieser Orkan brach fast wie aus dem Nichts über uns herein, weil die Wetterdienste viel zu spät eine Unwetterwarnung herausgaben.

Sicher: Bei extremen Wetterlagen sind verlässliche Voraussagen besonders kompliziert. Darauf haben Meteorologen in den vergangenen Tagen wiederholt hingewiesen. Auch „Christian“ gewann erst kurz vor seinem Auftreffen auf Land noch einmal an zerstörerischer Wucht.

Das Problem besteht darin, dass Vorhersagen von Meteorologen stets auf der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten basieren. Damit aber tut sich unsere moderne Welt schwer. Wir erwarten exakte Voraussagen und kritisieren vor allem dann gern, wenn diese nicht eintreffen.

Daher sei an dieser Stelle die Frage erlaubt: Welche Schlagzeilen hätten wir heute lesen müssen, wenn auf einem Weihnachtsmarkt Menschen von herabstürzenden Aufbauten erschlagen worden wären? Wie sähe die Debatte aus, wenn am Donnerstagabend erneut Zehntausende im Stau gesteckt hätten?

Betrachten wir die schweren Sturmfluten, von denen Hamburg in den vergangenen beiden Tagen betroffen war. Obwohl der Pegel am Freitagmorgen den Stand aus dem Katastrophen-Februar im Jahr 1962 übertraf, musste niemand in dieser Stadt sich ernsthaft fürchten.

Rund 1,2 Milliarden Euro hat Hamburg seit 1962 in den Hochwasserschutz an der Elbe gesteckt. Die meiste Zeit werden die Deiche und die Flutschutztore nicht benötigt. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, ihre Notwendigkeit infrage zu stellen.

Bleiben die Medien und der Vorwurf der Panikmache. Auch hier ist die Faktenlage klar. „Xaver“ war ein wichtiges nachrichtliches Ereignis, das Millionen Menschen betraf und über das Millionen Menschen redeten. Ausführlich darüber zu berichten ist eine journalistische Urtugend. Das schließt die vorbereitende Berichterstattung ein.

Keine Frage: Der eine oder andere Missgriff war dabei. Aber darüber zu diskutieren, dazu ist jetzt Zeit. Schließlich gilt auch beim Wetter die Fußballerregel: „Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.“