Nelson Mandela hinterlässt ein gewaltiges Erbe

Das Etikett „Legende“ wird heute oft bedauernswert inflationär verwendet. Nur ganz wenigen Menschen ist es vergönnt, dass dieses Wort mit ihrem Namen verschmilzt – und dies zu Recht.

Wie bei Nelson Mandela.

Es ist zum einen seiner überragenden Persönlichkeit zu verdanken, dass Mandela nicht das Schicksal Jassir Arafats teilte. Beide begannen als Befürworter der Gewalt, um einen Zustand der Ungerechtigkeit zu beseitigen. Doch während Mandela über sich hinaus und zu einem Mann des Friedens heranwuchs, verharrte Arafats Charakter im Status der Verschlagenheit. Mandela war des Friedensnobelpreises würdig, Arafat nicht.

Zum anderen aber wäre Mandela heute kaum mehr als eine tragische Gestalt, wenn ihm und Südafrika nicht das Schicksal ungewöhnlich gnädig in Form von Frederik de Klerk gewesen wäre. Es ist eine glückliche Fügung, dass das Charisma und die visionäre, revolutionäre Kraft eines Nelson Mandela korrelierte mit der Amtszeit eines weißen südafrikanischen Staatspräsidenten, der weitsichtig erkannte, dass die Ära der Apartheid vorbei war. Dies festzustellen, schmälert nicht Mandelas Verdienst.

Und das liegt nicht nur an seinem unbeirrten Kampf gegen das rassistische Regime, nicht nur darin, dass 27 Jahre Kerker und Einzelhaft weder seinen Willen noch seine heitere Grundstimmung zu brechen vermochten. Es liegt vor allem an seiner glaubwürdigen Bereitschaft zu verzeihen – trotz allem, was man ihm antat – und daranzugehen, eine solidarische Gesellschaft ungeachtet der Rassenzugehörigkeit zu schmieden. Nur aufgrund des Beispiels von Mandela – und auch von Frederik de Klerk – blieben Südafrika blutige Revolutionswirren erspart. Bildlich gesprochen hat Mandela den Acker bestellt und die Saat gelegt, doch Giganten der Geschichte haben in der Regel den Nachteil, weit weniger kompetente Nachfolger zu haben. Dass Südafrika derzeit einen Führer wie Jacob Zuma hat, der unter Korruptions- und Vergewaltigungsverdacht steht, ist eine Tragik.

Der Tod der Ikone Nelson Mandela ist eine Zäsur für Südafrika. Sein gewaltiges Erbe bleibt.