Kooperationen von Universitäten mit dem Pentagon sollten öffentlich bekannt sein.

Die unselige Rolle des deutschen Militärs im 20. Jahrhundert hat zu einem gesellschaftlichen Paradoxon geführt, das in dieser Ausprägung einzigartig in der Welt sein dürfte. Deutschland unterhält moderne Streitkräfte und setzt sie weltweit in Krisenherden ein, bemüht sich aber nach Kräften, ihre Anwesenheit und ihren potenziell tödlichen Zweck zu verdrängen. Acht Jahre nach Beginn des Krieges in Afghanistan, nachdem bereits Dutzende deutsche Soldaten am Hindukusch gefallen waren, fiel das erste Mal das ehrliche Wort „Krieg“ aus Ministermund. Und dies in einem Land, das zu den größten Waffenexporteuren der Erde zählt.

Ähnlich verdruckst und verdrängend geht Deutschland auch mit der Forschung zu Militärzwecken um. Wer weiß denn schon, dass zwischen 1979 und 1983 rund 70.000 Tiere zu Versuchszwecken „herangezogen“ wurden, wie das Verteidigungsministerium damals einräumte? Sie wurden von neu entwickelter Munition zerfetzt oder von Kampfstoffen zerfressen. Noch immer sterben jedes Jahr Hunderte Tiere bei Versuchsreihen, die die Bundeswehr zum Teil an Universitäten und zivile Forschungsstätten vergibt. Das ist die dunkle, widerwärtige Seite einer Forschung, die sich zum Ziel setzt, die eigene Truppe möglichst wirksam schützen und einen Gegner möglichst wirksam bekämpfen zu können. Streitkräfte aufzustellen, ohne militärische Forschung zu betreiben oder zumindest deren Früchte zu ernten, ist nicht möglich.

Und dabei geht es immer um den Tod: darum nämlich, ihn im Kriegsfall in den fremden Reihen herbeizuführen und in den eigenen zu vermeiden. Dieses entsetzliche Prinzip gilt, seitdem Menschen miteinander kämpfen.

Nun fällt Deutschland kollektiv aus allen Wolken, da bekannt geworden ist, dass deutsche Universitäten Forschungsprojekte betreiben, die vom Pentagon oder von amerikanischen Teilstreitkräften finanziert werden. Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass Deutschland Mitglied der Nato ist, einer Militärallianz, die 40 Jahre lang dafür gesorgt hat, dass mögliche Gegner von militärischen Abenteuern zulasten der Deutschen abgeschreckt werden. Wir kooperieren mit befreundetem Militär auf vielerlei Ebenen – militärisch, politisch, wirtschaftlich, diplomatisch. Nur die Wissenschaft soll außen vor bleiben?

Für die Deutschen, siehe oben, hat eine Zusammenarbeit zwischen Militär und ziviler Wissenschaft einen Hautgout. In anderen Staaten ist dies nicht so. Damit soll aber nicht einer hemmungslosen und vor allem heimlichen Kooperation das Wort geredet werden. Politik und Bürger haben – mit Sicherheitseinschränkungen – ein Recht darauf zu erfahren, wer welche Uni zu welchem Zweck anheuert und finanziert. Der Skandal ist aber weniger, dass es solche Kooperationen mit dem Pentagon gibt, sondern vielmehr, dass es aufwendiger Recherchen des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ bedurfte, um dies öffentlich zu machen. Mehr Offenheit, bitte!

Betrachtet man, dass in den vergangenen Jahren an 22 deutsche Hochschulen insgesamt rund zehn Millionen Euro geflossen sind, dann wird deutlich, dass diese für öffentliche Maßstäbe relativ bescheidene Summe kaum geeignet sein dürfte, die deutsche Hochschullandschaft abhängig von Pentagon-Geld zu machen. Die Relationen rücken sich endgültig zurecht, wenn man bedenkt, dass die US-Regierung in gleicher Weise mit rund 1000 eigenen und Hunderten ausländischer Universitäten kooperiert. Mancher sieht dennoch die Unabhängigkeit der Forschung bedroht. In der Tat muss man auf diese Entwicklung ein wachsames Auge haben. Doch wo ist der Schaden, wenn deutsche Forscher einzelne Projekte finanziert bekommen, die ohne dieses Geld nicht angepackt worden wären und deren Ergebnisse dann auch unserem Land zugute kommen?