Der Rüstungsexportbericht löst Empörung aus – nicht immer zu Recht

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, heißt es in dem bewegenden Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan. Es ist eine Zeile, die oft zitiert wird, wenn das Bundeskabinett seinen Rüstungsexportbericht veröffentlicht. Gestern war es wieder so weit. Kritiker wie etwa die Linke empören sich darüber, dass der deutsche Waffenexport „völlig außer Kontrolle“ geraten sei, weil der Anteil der Ausfuhr in Nicht-Nato-Staaten steige. Die Branche hingegen verweist auf die Zahlen: Die Gesamtsumme ist rückläufig.

Es ist wie so oft in politischen Debatten – jeder kann aus den Zahlen die Botschaft herauslesen, die ihm am besten ins Programm passt. Alle haben ein bisschen recht, doch die Wirklichkeit ist etwas differenzierter. So steuert die deutsche Rüstungsindustrie seit Jahren einen Schrumpfungskurs: Der Wert der Kriegswaffenexporte sank im vergangenen Jahr mit 946 Millionen Euro erstmals seit 2002 wieder unter die Marke von einer Milliarde und liegt nun bei einem Tausendstel der deutschen Ausfuhren. Nur zum Vergleich: Die Ausfuhr der Agrarindustrie ist rund 50-mal so groß. Deutlich rückläufig entwickelt sich auch das Volumen der Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter. Es fiel von 5,4 Milliarden Euro 2011 auf einen Wert von 4,7 Milliarden Euro.

Auch nach den Daten des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri fällt der langjährige drittgrößte Rüstungsexporteur Deutschland zurück, sein Marktanteil sinkt. Interessanter als die Daten der Exporteure sind ohnehin die der Importeure: Nach der Euro-Einführung landete ausgerechnet Griechenland hinter China, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten vorübergehend auf Rang vier der größten Waffenabnehmer. Große Profiteure des hellenischen Rüstungsirrsinns waren übrigens die Deutschen.

Heute zählen vor allen Nichtbündnispartner zu den besten Kunden der Waffenschmieden. Hier liegt das Problem. Saudi-Arabien, der Wüstenstaat mit seiner bizarren Mischung aus Wunderland und Folterkeller, hat sich aufgrund eines Großauftrags an die Spitze bei den genehmigten Ausfuhren gesetzt. Allerdings ist die öffentliche Empörung etwas übertrieben: Es ging eben nicht um Leopard-Panzer, Eurofighter oder schweres Kriegsgerät, sondern um den Aufbau einer Hightech-Anlage zur Sicherung der Grenze. Wer in den Jahresbericht von Amnesty International blickt, mag sich fragen, wozu ein solch unfreies Land eigentlich einen Grenzzaun zur Abwehr von Einwanderern benötigt. Weniger fragwürdig ist das Geschäft an sich: Ein Skandal oder gar ein Beleg für die „Skrupellosigkeit“ der Bundesregierung ist dieser Export nicht.

Insgesamt würde der Debatte etwas weniger Moral und etwas mehr Sachlichkeit weiterhelfen. Als großer Standort im Maschinen- und Fahrzeugbau wird die Branche in Deutschland noch lange eine Rolle spielen – allein wegen des Bedarfs der Bundeswehr. Der Export etwa von U-Booten oder Militärflugzeugen in Nato-Staaten ist keineswegs verwerflich; gerade die norddeutsche Industrie profitiert davon.

Zugleich ist klar: Der Waffenhandel braucht strenge und funktionierende Grenzen. Kriegsgüter dürfen nicht an Diktaturen und Despoten geliefert werden. Es ist löblich, dass die Große Koalition hier mehr Transparenz schaffen will.

Zugleich gibt es Sicherheitsinteressen, die sich im Graubereich zwischen den Schwarz-Weiß-Malern von Gut und Böse bewegen. Handel, Zusammenarbeit und Ausbildungshilfe für zwielichtige Staaten sind moralisch bedenklich, realpolitisch aber manchmal notwendig. Das gilt vielleicht sogar für Saudi-Arabien, das als Vermittler zwischen Palästinensern und Israelis eine wichtige Rolle spielt. Dies sollte man wissen, bevor man beim nächsten Mal die Todesfuge von Celan zitiert. Ihr Thema war der Holocaust.