Ob beim HSV oder beim FC St. Pauli, in der Hansestadt hält es niemand lange aus. Die Jobsuche nach ihrem Engagement fällt vielen Trainern anschließend zudem schwer.

Wer einen der 24 Plätze an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef für die Ausbildung zum Fußballlehrer ergattert, darf sich glücklich schätzen. Die Liste der Bewerber ist Jahr für Jahr lang, HSV-Amateurtrainer Rodolfo Cardoso zum Beispiel benötigte mehrere Anläufe, bis er zugelassen wurde. Zehn Monate dauert der anspruchsvolle Unterricht, der in Blöcken von 35 bis 40 Unterrichtsstunden abgehalten wird. Die bestandene Prüfung ist jedoch alles andere als eine Lizenz zur Übernahme eines Vereins. Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit ist groß, im Internetportal „Transfermarkt.de“ in einer der unbeliebtesten Kategorien zu landen – jener der arbeitslosen Fußballlehrer.

Am Mittwoch hat sich zu den 905 als verfügbar gelisteten Trainern mit St. Paulis Michael Frontzeck Nummer 906 gesellt. Weder sportlicher Misserfolg, überzogene Gehaltsforderungen noch private Gründe wie Krankheit waren ausschlaggebend für die Trennung, sondern unterschiedliche Auffassungen über den Zeitpunkt einer möglichen Vertragsverlängerung. Kurioser geht’s fast gar nicht.

Ob sich Frontzeck bewusst war, dass sein vorzeitiger Abgang kein gutes Omen für die Zukunft ist? Auch seine Vorgänger André Schubert, Holger Stanislawski, André Trulsen, Franz Gerber und Dietmar Demuth sind derzeit auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Über Andreas Bergmanns restliche Verweildauer bei Hansa Rostock werden kaum noch Wetten angenommen, und Joachim Philipkowski ist längst wieder im Juniorenbereich tätig.

Bei einem Blick auf die Liste der in den vergangenen Jahren verschlissenen HSV-Trainer fällt zunächst auf, dass nur der Wechsel System hat, während es die Braun-Weißen immerhin schafften, mit Stanislawski über fünf Jahre Kontinuität zu erreichen. Dass der HSV stets zwischen jungen und erfahrenen Übungsleitern pendelte, ist ein zweites Merkmal. Vor dem 61-jährigen Bert van Marwijk durften sich Thorsten Fink, 46 (ohne Verein [o.V.]), und kurzzeitig Michael Oenning, 46 (o.V.), versuchen, die auf Armin Veh, 50, folgten. Vehs Routine war nach dem Jugenddrang von Bruno Labbadia, 44 (o.V.), gefragt, der selbst zuvor nach den reiferen Jahrgängen Martin Jol, 53, und Huub Stevens, 54, für neuen Schwung sorgen sollte. Deren Erfahrung wiederum war nach dem Ende der Amtszeit von Thomas Doll, 41 (o.V.), gefordert. Wetten, dass nach van Marwijk, der das Hotelleben dem Bezug einer privaten Wohnung dauerhaft vorzieht, wieder ein junger Typ folgt?

Hamburg scheint ein schwieriges Terrain für Trainer zu sein. Es ist aber auch nicht wirklich einfach, den perfekten Trainer für sich zu entdecken. Die Anforderungen, ob in der Bundesliga oder der Zweiten Liga, sind heute immens, im Untertitel ihrer Berufsbezeichnung könnte auch Psychologe, Entertainer und Repräsentant stehen. Dabei kann bisweilen jener Bereich ihrer Tätigkeit in den Hintergrund geraten, der eigentlich zur Beurteilung maßgeblich sein sollte: die Eignung zum Fußballlehrer, zum Ausbilden von talentierten, aber noch fehlerbehafteten Spielern.

Stattdessen wird häufig diagnostiziert, wie schlagfertig sich ein Trainer im Studiointerview äußert und ob er während einer Partie an der Seitenlinie auch leidenschaftlich mitgeht, obwohl die Spieler ohnehin fast nie mitbekommen, wenn ihr Coach wild rudernde Armbewegungen vollführt oder herumschreit. Und wenn er die Medien in Hintergrundgesprächen munter unterhält, verschafft sich ein Übungsleiter mitunter zumindest etwas mehr Kredit, bevor seine Arbeit infrage gestellt wird.

Das fast Tragische an der Trainertätigkeit ist jedoch, dass die Protagonisten angesichts der Konkurrenzdichte häufig keine Chance erhalten, Erkenntnisse und Erfahrungen produktiv in die nächste Tätigkeit einfließen zu lassen. Wer ein- oder zweimal „gescheitert“ ist, ohne zuvor einige Erfolge erzielt zu haben, gilt in der Branche als nur noch schwer vermittelbar und läuft Gefahr, Dauergast auf der Liste der arbeitslosen Trainer zu bleiben.

Oder er sieht sich gezwungen, ein völlig anderes Betätigungsfeld zu suchen. Zum Beispiel als Experte beim Pay-TV-Sender Sky.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab

Dieter Matz hat Urlaub. Für ihn schreibt Alexander Laux, stellvertretender Leiter der Sportredaktion