Oder heißt es Referenz? Nicht scheinbar, aber anscheinend reicht ein Buchstabe, um aus einem Kniefall eine Empfehlung zu machen

Scheinbar schafft es kaum jemand, „anscheinend“ richtig zu gebrauchen. Halt! Das ist natürlich falsch! Es muss umgekehrt heißen: Anscheinend schafft es niemand, „scheinbar“ richtig anzu­­­­­­­­­­­­­­­­wenden. Das Adverb „anscheinend“ besagt, dass etwas allem Anschein nach tatsächlich so ist, wie es sich darstellt. Es ist nicht synonym zu scheinbar! Der Ausdruck „scheinbar“ bedeutet, dass hier ein Schein als Täuschung vor die Wahrheit gezogen worden ist, um etwas als Tatsache erscheinen zu lassen, was in Wirklichkeit nicht gegeben ist.

Wenn wir sagen, sie sei scheinbar krank, so ist sie nicht krank, sondern tut nur so, macht blau, täuscht ihren Arbeitgeber und riskiert die fristlose Kündigung. Wenn sie jedoch anscheinend krank ist, so deutet alles darauf hin, dass sie mit 39,5 Grad Fieber zu Hause im Bett liegt und nicht in die Firma kommen kann.

Diese Unterscheidung ist nicht neu und ist auch in früheren Folgen dieser Kolumne bereits behandelt worden. Doch in den vielen Zuschriften, die ich bekomme, wird dieser Fehler der Medien (und seien wir ehrlich: auch des Abendblatts) immer wieder angesprochen. Wenn einer Fußballmannschaft die Aufholjagd scheinbar zu viel Kraft gekostet hat, so simulieren die Burschen oder sind von der Wettmafia bestochen worden. Wenn sie in der 80. Minute aber anscheinend keine Kraft mehr haben, so hat es für den Zuschauer den Anschein, dass die Spieler wirklich platt sind.

Falls es bei der Bundestagswahl scheinbar zu vielen Auszählungspannen gekommen sein soll, so können wir zur Tagesordnung übergehen; wenn es sich aber anscheinend um viele Pannen handelt, so muss sich der Landeswahlleiter damit beschäftigen. Misstrauisch sollten Sie auch werden, wenn die Sanierung des Areals scheinbar abgeschlossen ist. Wahrscheinlich hat die Baufirma den Giftmüll nur mit Erde und Bauschutt bedeckt. Eine Sippe, die sich scheinbar in der Armut eingerichtet hat, betrügt das Sozialamt, und wenn die Belange von Seevetal nur scheinbar missachtet werden, kann sich in jener Gemeinde in Wirklichkeit eigentlich niemand beklagen.

Bei einem Vorstellungsgespräch ist es heutzutage nach Abschaffung des Ständestaats nicht mehr erforderlich, dem Personalchef die Reverenz zu erweisen. Er wird mehr an aussagekräftigen Referenzen interessiert sein. Vielleicht hat der Bischof Tebartz-van Elst am Montag bei der Audienz in Rom dem Papst seine Reverenz erwiesen, ist niedergekniet und hat den Fischerring geküsst, obwohl das bei einem Papst, der in der Mensa isst, und einem Bischof, der Erster Klasse zum Besuch der Ärmsten der Armen nach Indien fliegt, durchaus anders sein kann.

Als Protestant bleibt mir manches in der katholischen Kirche unklar, klar ist jedoch die unterschiedliche Bedeutung der beiden Ausdrücke: Eine Reverenz mit „v“ bezeichnet eine Ehrerbietung, zum Beispiel eine tiefe Verbeugung oder einen Kniefall. Das Fremdwort kommt von lat. reverentia („Scheu, Ehrfurcht“). Bei einer Referenz mit „f“ (frz. référence, eigtl. „Bericht“) geht es jedoch um eine von einer Vertrauensperson gegebene Auskunft, die man als Empfehlung vorweisen kann.

„Teilen Sie das Ihrem Autoren mit“, schreibt eine Leserin. Das haben wir getan, allerdings erlaube ich mir die Anmerkung, dass es nicht „Ihrem Autoren“, sondern „Ihrem Autor“ heißen muss. Das Substantiv Autor wird im Singular stark, nicht schwach flektiert. Es heißt also des Autors, dem Autor, den Autor, nicht: „des Autoren, dem Autoren, den Autoren“. Die Komposita mit Autor als Erstglied bekommen allerdings das Fugenzeichen -en-. Man sagt: Autorenlesung, Autorenexemplar und im Plural Autorenverzeichnis oder Autorenverband.

„Kann ein Straßenzug wegen einer Bombendrohung evakuiert werden?“, lautet eine weitere Frage. „Man kann doch nur Bewohner, nicht ganze Straßenzüge evakuieren!“ Doch, man kann Straßen, Städte oder Landstriche evakuieren. Das Verb bedeutet eigentlich „entleeren“ von lat. evacuare („leer machen“) zu vacuus („leer“).

Menschen werden im Allgemeinen nur in Horrorfilmen entleert, sie werden vielmehr bei drohender Gefahr von ihrem Wohnplatz weggebracht, ohne dabei gleich ihre inneren Organe hergeben zu müssen.