Heißt es „Herr“ oder „Herrn“ Mustermann? Müssen wir ein „An“ vor den Namen setzen? Schon der Umschlag birgt viele Fallen

Zu den häufigsten Fragen sowohl an die Duden-Sprachberatung (kostenpflichtig) als auch an mich (kostenlos, aber stark überlastet) gehört die Anfrage: Schreibt man in der Briefanschrift eigentlich Herr oder Herrn Max Mustermann? Antwort: Die Anschrift steht im Akkusativ. Es heißt also Herrn Max Mustermann (an wen?).

Der Dativ ist unüblich und kommt nur noch im diplomatischen Schriftverkehr oder bei Ehrentiteln vor: Seiner Eminenz, dem Hochwürdigsten Herrn Karl Kardinal Lehmann. Aber das ist weder protestantisch noch hanseatisch. Bei dieser Gelegenheit: Der „Kardinal“ gehört, auch in der Nachrichtensprache, zum Nachnamen. Es heißt nicht „Kardinal Karl Lehmann“, sondern Karl Kardinal Lehmann.

Trotz des Akkusativs wird in der Anschrift an eine oder mehrere Personen heute auf An, An den/ die/ das verzichtet. Auch bei Firmenanschriften kann das Wort Firma wegfallen, wenn diese Information aus dem Namen selbst hervorgeht. Bei Schreiben an Ämter oder Institutionen wird dagegen meistens An den/ die/ das gesetzt: An das Finanzamt Mitte.

Abkürzungen wie i. H. (im Hause), i. Fa. (in Firma), c/o (care of) oder z. H. (zu Händen) gelten als überflüssig. Steht der Name eines Mitarbeiters vor der Firmen- oder Amtsanschrift, ist das Schreiben für ihn persönlich bestimmt, steht der Name nach der Firmenadresse, darf der Brief auch von einem anderen Mitarbeiter geöffnet werden. Schwierig wird es, wenn sich die Adresse auf mehrere Personen bezieht. Doktorgrade dürfen zwar abgekürzt (Dr.) werden, aber nicht wegfallen. Man kann sie jedoch als Dres. (lat. doctores – Plur.) zusammenfassen.

Kopfzerbrechen bereitet oft die Anschrift von Ehepaaren. Früher war es einfacher: Herrn Geheimrat Dr. Müller und Frau. Frau Müller erschien als Anhang ihres Mannes, was im gesellschaftlichen Verkehr und dem Personal gegenüber immerhin den Vorteil hatte, dass sie als „Frau Doktor“ angesprochen wurde. Wer heutzutage eine Einladung, Danksagung oder Mitteilung an „und Frau“ schicken würde, liefe in Gefahr, alle GleichstellungsbeauftragtInnen und EpigonInnen von Alice Schwarzer an der Gurgel zu haben.

Die Universität Leipzig hat gerade das männliche Geschlecht in der Schriftform abgeschafft. Es wird nur noch von Professorinnen geschrieben. Eine versteckte Fußnote verweist darauf, dass der männliche Lehrkörper einbezogen ist. Sicher, die spinnen, die Sachsen, aber wir betreten hier ein feminin vermintes Gelände. Die Anrede Eheleute Müller ist auch nicht möglich. Die würde nicht einmal auf unseren Bundespräsidenten zutreffen.

Wir müssen also zur Form Herrn Dr. Hans Müller und Frau Eva Müller greifen. Doch halt! Die Zeiten sollten nun wirklich vorbei sein, in denen der Mann an erster Stelle genannt wird … Also noch einmal von vorn: Frau Eva Müller und Herrn Dr. Hans Müller. Falls wir die gesamte Nachbarsfamilie zur Gartenparty einladen wollen, sollten wir eine gewisse Ausführlichkeit nicht scheuen: Familie Eva, Dr. Hans, Ben, Nicole und Bobby Müller.

Wer an dieser Stelle noch nicht entnervt aufgegeben hat, kommt zur Anrede und sieht sich den gleichen Fragen und Unsicherheiten wie bei der Adresse gegenüber, wenn es sich um fremde Personen, Firmen oder Ämter handelt. Da man immer damit rechnen muss, dass die Frauenquote gegriffen hat, macht man mit der Anrede Sehr geehrte Damen und Herren wenig falsch. Wohlgemerkt: geehrte, nicht verehrte. Wir leben nicht mehr in einem Ständestaat.

Gebraucht man die Amts- oder Berufsbezeichnung des Adressaten, die in der Anrede nicht abgekürzt werden darf, wird der Name meist weggelassen: Sehr geehrte Frau Senatorin; Sehr geehrter Herr Präsident; Sehr geehrter Herr Professor. Nach der Anrede steht ein Komma und kein Ausrufezeichen. Der Brieftext beginnt also nach einer Leerzeile mit einem kleinen Buchstaben, wenn das erste Wort auch sonst kleingeschrieben wird.

Es handelt sich in dieser Folge zwar um keine Duden-Regeln, aber durchaus um Duden-Empfehlungen, die ich als Antwort auf viele Fragen weitergegeben habe. Wer anderer Meinung ist, braucht sich nicht daran zu halten, sollte mich aber leben lassen. Freiherr Knigge ist tot, heute sehen wir manches anders.

Der Verfasser, 72, ist „Hamburgisch"- Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprach-Kolumne erscheint dienstags