Am Beispiel der Esso-Häuser wird ein Grundproblem deutlich

Das Angebot klingt wie aus einer Traumwelt der Stadtentwicklung: Ein Investor will einige Wohnblocks abreißen, die nicht nur von der baulichen Substanz her marode sind, sondern auch architektonisch zu den Abscheulichkeiten der Nachkriegsarchitektur gehören. Nicht einmal der Denkmalschutz hat etwas dagegen, weil die Einheiten für nichts Besonderes stehen – zumindest nicht aus professioneller Sicht. Die heutigen Bewohner sollen zwischenzeitlich neuen Wohnraum in ihrem Stadtteil St. Pauli erhalten und später in dem geplanten Neubau an der Reeperbahn zu gleichen Mietkonditionen wie bisher wieder eine Wohnung bekommen. Schriftlich und damit verbindlich liegen die Fakten seit Freitag vor.

Wer nun aber Jubelstürme bei den Bewohnern oder gar ihrem Umfeld erwartet, gehört leider zu den Träumern. Längst haben diese sogenannten Esso-Häuser einen Symbolwert fast auf Augenhöhe mit dem Gängeviertel erreicht; sie stehen für den Kampf der bösen Investoren, die die Gentrifizierung bis in die Herzkammer St. Paulis vorantreiben, gegen einen von einigen Gruppen für sich reklamierten Bürgerwillen, der ebendies verhindern will. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um die tatsächlichen Mieter, auch andere Vertreter des eher linken Spektrums und prominente Zeitgenossen mit einem Hang zur Außendarstellung haben sich hier engagiert – häufig sind es dieselben, die auch im Gängeviertel mitmischen und es so der Politik noch schwerer machen, auf argumentativer Ebene zu punkten.

Für Investoren wird es – mal ganz abgesehen von vielen weiteren Punkten wie etwa Klimaschutzvorgaben und der Verpflichtung zum anteiligen Bau von Sozialwohnungen – immer unattraktiver, sich in Hamburg zu engagieren. Leider haben die Gegner vieler Projekte in zahlreichen Stadtteilen noch kein Gegenkonzept vorgelegt, wie unter diesen Bedingungen das frappierende Wohnungsproblem lösbar ist. Bürgerbeteiligung ist fraglos ein hohes Gut, aber sie darf nicht in Strukturkonservatismus und der Hoffnung münden, dass irgendwer schon für Sanierungen bei völliger Abgabe von Mitspracherecht über die Zukunft der Objekte zahlen wird.