Eigentümer will Esso-Ensemble auf St. Pauli abreißen und gibt umfangreiche Garantien ab. Doch Bewohner bleiben skeptisch

St. Pauli. In der gesperrten Tiefgarage sorgen 1600 mit Querstangen verbundene Stützen für Stabilität. Oben wurden Tausende Kubikmeter Erdreich entfernt, um den Einsturz des Garagendachs zu verhindern. Jetzt müssen die Balkone der Wohnhäuser gesichert werden, damit sie nicht herabstürzen. Nachdem im Juni ein von der Stadt beauftragtes Gutachten die Einsturzgefahr der Esso-Häuser am Spielbudenplatz festgestellt hatte, verlangte der Bezirk Hamburg Mitte von der Bayerischen Hausbau umfangreiche Sicherungsmaßnahmen.

Sie hatte das Gebäude-Ensemble 2009 gekauft. Jetzt musste sie einige Hunderttausend Euro in die temporäre Sicherung der Häuser investieren, die sie eigentlich abreißen und neu bauen will, am liebsten sofort.

Die Statik der Wohnhäuser sei ausgelastet, sodass weder ordentlich verglaste Fenster noch Brandschutz eingebaut werden könnten. Um ihre Mieter für die Neubau-Pläne zu gewinnen, hat die Bayerische Hausbau ihnen jetzt schriftlich ein Rückkehrrecht zugesichert.

In dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt, wird außerdem Betroffenen mit einem unbefristeten Vertrag – das ist der überwiegende Teil der Mieter – für die Zeit der Baumaßnahmen die Unterbringung in einer Ersatzwohnung auf St.Pauli versprochen. Ist der Neubau fertig, sollen alle, auch die mit befristeten Verträgen, zu vergleichbaren Konditionen zurückkehren können. „Die Mieter werden eine ähnlich große Wohnung bekommen wie jetzt und die gleiche Bruttoquadratmetermiete zahlen“, so Unternehmenssprecher Bernhard Taubenberger.

19.000 Quadratmeter Wohnraum will seine Firma schaffen, aktuell sind es 5000. Vorgesehen ist ein Mix aus jeweils einem Drittel Miet-, Sozial- und Eigentumswohnungen. „Wir schaffen zum ersten Mal an diesem Standort öffentlich geförderten Wohnraum“, sagt Taubenberger stolz. Die Eigentumswohnungen benötige man, damit sich das Projekt rechne.

Die Gegner fürchten den Zuzug von gut verdienenden Nicht-St.-Paulianern und die damit verbundene Gentrifizierung. „Die Bewohner-Struktur wird sich komplett verändern“, sagt Julia Priani, 28, die seit sechs Jahren in einer 30-Quadratmeter-Wohnung lebt und sich in der Initiative engagiert. Außerdem fragt sie sich, wo die Bewohner während der Bauzeit unterkommen sollen: „Es ist bekannt, dass in St.Pauli nicht genug Wohnraum zur Verfügung steht. Daher kann man das Versprechen der Bayerischen Hausbau nicht ernst nehmen.“ Zudem sei das Zugeständnis des Rückkehrrechts bei gleicher Miete nicht neu sondern etwas, worüber schon seit Langem diskutiert werde. Das gelte auch für das Angebot, den Mietern für Umzugskosten eine Pauschale von 1200 Euro zu gewähren. „Dabei beziehen sie sich auf den Sozialplan, müssten als Großinvestor aber sämtliche Kosten tragen.“

Auch Ismail Erki, 24, fordert, dass die Bayerische Hausbau den Mietern bei den Umzugskosten mehr entgegenkommt. Generell begrüße er aber einen Neubau, sagt Erki, der mit seiner Familie seit mehr als 20 Jahren in einer der Wohnungen lebt. „Der Zustand der Esso-Häuser ist sehr schlecht, die Nebenkosten extrem hoch. Wegen der einfach verglasten Fenster und der undichten Heizungsrohre müssen wir regelmäßig hohe Nachzahlungen leisten.“

Christian Najmann, 33, beklagt den Instandhaltungsstau. „Mir ist unwohl bei dem Gedanken, in einem einsturzgefährdeten Haus zu wohnen“, sagt er. Aber auch die Aussicht, in den kommenden Jahren mehrmals umziehen zu müssen, begeistere ihn nicht. „Ich hänge an meinem Zuhause“, sagt er.

„Mit dem Abriss der Esso-Häuser würde ein wesentlicher Bestandteil von dem, was St. Pauli ausmacht, verloren gehen“, sagt Christina Röthig von der Initiative. Deshalb werde sie sich weiter für einen Erhalt der Häuser einsetzen.