Hamburg muss Flüchtlingen ein Dach überm Kopf bieten

Menschenverachtender geht es kaum: Als die italienische Regierung den libyschen Flüchtlingen nach Jahren im Aufnahmelager ein Schengenvisum und den guten Rat mit auf den Weg gab, ihr Glück in Deutschland zu versuchen, musste sie genau wissen, dass dieser Weg die Menschen in die Sackgasse führt. Denn Übereinkommen der EU schreiben fest, dass der Mitgliedstaat, der die Aufenthaltserlaubnis erteilt, auch für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist. So haben die Italiener sehenden Auges in Kauf genommen, dass die Libyer nicht nur in der Ferne stranden würden, ohne Sozialleistungen und ohne Arbeitserlaubnis, sondern ihnen auch die Möglichkeit eines ordentlichen Asylverfahrens versperrt bleibt. Dass hierbei sogar 500 Euro Prämiengeld an jeden Flüchtling gezahlt worden sein sollen, ist eine neue Qualität. Es zeugt von einem mehr als hemdsärmeligen Rechtsverständnis, das man bisher nur Silvio Berlusconi zutraute.

Zugegeben: Italien ist mit dem gewaltigen Strom von Armuts- und Bürgerkriegsflüchtlingen, die nach Europa drängen, aber über das Mittelmeer als Erstes die Küsten des südeuropäischen Landes erreichen, überfordert. Es wird mit einem Problem, das ganz Europa betrifft, von der EU alleingelassen. Diese Lasten müssen gerechter verteilt werden - in einem geordneten Verfahren wohlgemerkt und nicht, indem man die Flüchtlinge quasi in den Zug nach Norden setzt.

Was kann, was muss Hamburg tun? Den Streit Italiens mit Brüssel über die Flüchtlingspolitik wird die Hansestadt jedenfalls nicht lösen können. Auch die 300 Libyer kann sie nicht dauerhaft aufnehmen. Das Asylverfahren, das ihnen allein eine langfristige Perspektive bieten könnte, gibt es für sie nur in Italien. Was Hamburg jedoch zügig leisten muss, ist ein humanitärer Akt, der den 300 Menschen vorübergehend ein Dach über dem Kopf verschafft. Sie in diesem verregneten Mai Nacht für Nacht auf der Straße schlafen zu lassen ist ebenfalls menschenunwürdig. In den öffentlichen Unterbringungen ist wenig Platz. Aber vielleicht kann die Kirche helfen, die vehement für eine Lösung und eine Liberalisierung des Aufenthaltsrechts eintritt.