Der Senat muss die Belange kleiner Betriebe ernst nehmen

Es ist ein schwieriger Spagat für Politiker und Städteplaner. Auf der einen Seite ist es richtig, dass der Senat den Wohnungsbau in Hamburg vorantreibt und die Bezirke dazu anhält, so viele Flächen wie möglich für neue und vor allem bezahlbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Alles andere wäre angesichts der explodierenden Mietpreise in der Hansestadt nicht nur falsch, sondern geradezu fahrlässig.

Doch darüber sollten die Planer nicht die Belange der kleinen, produzierenden Betriebe und Handwerker aus dem Blick verlieren. Gerade in beliebten Stadtteilen wie Ottensen verschwinden Tischler, Schuhmacher und andere Werkstätten Stück für Stück aus dem Straßenbild und aus den Hinterhöfen. An die Stelle einer alten Fischfabrik sind beispielsweise im Westend Ottensen teure Luxuswohnungen mit ein paar Kanzleien und Büros gerückt.

Den Reiz alter Arbeiterstadtteile macht aber gerade das Nebeneinander von Wohnen und Handwerk aus. Auch, wenn dies manchmal mit Lärm oder gewöhnungsbedürftigen Gerüchen verbunden ist. Sonst geht ein Stück der kulturellen Identität dieser Stadtteile verloren. Ausschließlich Restaurants, Coffeeshops oder Modegeschäfte in alte Fabrikhallen einziehen zu lassen, reicht nicht aus. Dies ist eher ein Anzeichen für die fortschreitende Gentrifizierung eines Viertels als ein Ausweis für die Lebendigkeit eines Stadtteils.

Das alte Kolbenschmidt-Gelände an der Friedensallee sollte daher so weit wie möglich als Industriefläche erhalten bleiben. Mit Metallbauern, Tischlern und Motorradschraubern, die auch mal Krach machen.

Vielleicht wäre dies auch ein guter Standort für einen großen Gewerbehof nach Münchner Vorbild, für den sich die Hamburger Handwerkskammer schon seit Jahren starkmacht. In der bayrischen Metropole gibt es gleich mehrere solcher mehrstöckigen Gebäude, in denen kleine Produktionsbetriebe zu günstigen Mieten und mit guter technischer Ausstattung arbeiten können. Doch trotz vieler Absichtsbekundungen vonseiten der Stadt ist ein solches Projekt in Hamburg bislang kaum vorangekommen.