Noch gibt Boston für mehr Videoüberwachung nichts her

Was mögen das für Fantasien sein, die deutschen sogenannten Sicherheitspolitikern durch die Sinne schwirren, wenn sie an eine lückenlose Videoüberwachung im öffentlichen Raum denken? Dass man Gewalttäter und Terroristen abschreckt, sie nach ihren Verbrechen schnell ermittelt, sind hehre Motive. Jedoch ist es schäbig und politisch dumm, aus dem Attentat in Boston eine deutsche Debatte abzuleiten.

Die genauen Hintergründe sind nicht klar, die Polizeiarbeit im Detail noch gar nicht zu bewerten — und doch erhebt sich bereits der Sirenengesang von Hardliner (Innenminister Friedrich, CSU) bis Weichzeichnerin (Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, FDP). Videos und die Auswertung von Privatfotos haben die Ermittler in den USA tatsächlich auf die Spur der beiden Einwanderer gebracht, die für die Explosionen verantwortlich sein sollen. Aber leider verhindert auch die engstmaschige Videoüberwachung Gewalt nicht.

Islamisten, aber auch andere Gruppierungen mit politischen oder kapitalverbrecherischen Motiven zucken bei Kameras nicht zurück. In Bussen und Zügen haben sich Videoaufnahmen bewährt bei der Ermittlung von Tätern. Doch auch die Erfahrungen der schlimmen Attacken in Madrid oder London zeigen, dass die Durchleuchtung des öffentlichen Raumes seine Grenzen hat.

Glücklicherweise ist Deutschland von einem befürchteten Anschlag nach dem 11. September 2001 verschont geblieben. Eine der schlimmsten Bedrohungen ging von der sogenannten Sauerland-Gruppe aus. Die Islamisten waren allerdings weder durch die Vorratsdatenspeicherung — die von der schwarz-gelben Regierungskoalition noch immer nicht gelöst wurde — noch durch eine Videoüberwachung gestellt worden. Einfache Polizeiarbeit hat zu ihrer Festnahme geführt.

Es ist global wie im Einzelfall recht schwierig, zwischen den Rechten der Bürger auf Freiheit, Datenschutz und Selbstbestimmtheit auf der einen sowie dem Sicherheitsbedürfnis aller auf der anderen Seite abzuwägen. Allerdings ist die Big-Brother-Mentalität à la Innenminister Friedrich so einfalls- wie sinnlos.