Erst die Eigenschaftswörter bringen Farbe in die Sprache. Sie dürfen aber nicht überzuckert sein wie der Butterkeks in der Kita

Ohne Eigenschaftswörter, fachsprachlich Adjektive genannt, bleibt unsere Sprache so grau und unansehnlich wie das Hamburger Schmuddelwetter. Das Mädchen trug ein Kleid. Bei einer solchen banalen Feststellung wird die Fantasie eher abgeschaltet als angeregt. Es trug ein rotes Kleid. Das klingt schon besser, doch wenn es ein leuchtend rotes Kleid mit weißen Stickereien anhat, steht das Mädchen quasi lebendig vor unserem inneren Auge.

Personen, Lebewesen, Dinge, Sachverhalte usw. können darauf hin verglichen werden, ob bzw. in welchem Maße ihnen eine bestimmte Eigenschaft zukommt. Der Klassenlehrer meines Enkels kann klug, sehr klug, nicht klug, klüger als der Direktor oder am klügsten innerhalb des Kollegiums sein. Durch die Bildung solcher Vergleichsformen werden die Beziehungen und Verhältnisse zwischen Personen und Sachen ausgedrückt. Die Bezeichnung "Steigerung" (Komparation), die früher allgemein üblich war, wird heute durch "Bildung der Vergleichsformen" ersetzt.

Die meisten Adjektive lassen sich steigern, und zwar in verschiedenem Grade. Man unterscheidet drei Stufen - den Positiv (die Grundstufe, den gleichen Grad: alt, groß, schnell), den Komparativ (die Mehr- oder Höherstufe, den ungleichen Grad: älter, größer, schneller) und den Superlativ (die Meist- oder Höchststufe, den höchsten Grad: älteste, größte, schnellste). Der Komparativ wird durch das Anhängen von -er, der Superlativ von -st oder -est an die Grundform gebildet.

Wir haben diese Formen quasi mit der Muttermilch in unsere Muttersprache aufgenommen. Weit schwerer hat es Fatma, die den Kursus "Deutsch für Ausländer" in der VHS besucht und als Erstes über die Umlautung stolpert: nicht "großer", sondern "größer", nicht "kluger", sondern "klüger". Dann versucht sie einen Satz: Esin ist meine gute Freundin. So weit, so gut. Nun der Superlativ: Esin ist meine "guteste" Freundin. Nein, Esin ist die beste Freundin. Fatma muss lernen, dass es auch unregelmäßige Vergleichsformen gibt: gut, besser, beste oder viel, mehr, meiste. Die Formen äußere, innere, obere, untere, vordere, hintere, mittlere und niedere sind eigentlich Komparative, werden heute aber als Positive aufgefasst. Sie bilden den Superlativ äußerste, innerste usw., haben aber keinen Komparativ.

Fatma versucht es erneut: Ich lese das Abendblatt (was nie schaden kann), denn das Abendblatt ist die "meistgelesenste" Zeitung in Hamburg. Auweia, hier liegt eine unzulässige Steigerung beider Bestandteile vor: "meist" ist bereits Superlativ, die "meistgelesene" Zeitung reicht dem Abendblatt, alles andere wäre überzuckert wie der Butterkeks in der Delingsdorfer Kita. Das gilt auch für höherwertige (nicht: höherwertigere) Produkte, die höchstgelegene (nicht: höchstgelegenste) Wohnung, das bestbewährte (nicht: bestbewährteste) Schmerzmittel oder das meistgekaufte (nicht: meistgekaufteste) Wörterbuch.

Trotz aller Schluderei in der Umgangssprache, trotz aller schlechten Beispiele sollten Sie die Vergleichspartikel "wie" und "als" nicht verwechseln - wie drückt eine Gleichheit aus, als eine Ungleichheit und steht meistens mit dem Komparativ. Heute ist es so kalt wie gestern, bedeutet: Heute messen wir null Grad, gestern betrug die Höchsttemperatur gleichermaßen null Grad. Falls die Temperatur heute jedoch in den Keller gestürzt sein sollte, heißt es: Heute ist es kälter als gestern.

Formelhaft erstarrt ist hochsprachlich allerdings das "als" in der mehrteiligen Konjunktion sowohl - als auch, obwohl hier eine Gleichheit der Aussage vorliegt: Sowohl heute als auch gestern war es viel zu kalt für diese Jahreszeit. Um möglichen Protesten zuvorzukommen, sei eingeräumt, dass ein Deutschlehrer auch die Konjunktion "sowohl - wie auch" nicht als Fehler anstreichen dürfte.

Es gibt ganz Schlaue, die schenken sich die Entscheidung zwischen "als" und "wie" und bieten uns beide Partikel quasi als Goethe light im Doppelpack an: Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor. Es ist immerhin Doktor Faust, der hier spricht. Doch selbst ein Großmeister der deutschen Dichtung wie der Geheimrat Goethe kann nicht in jedem Vers Vorbild für die korrekte Grammatik sein.