Wenn die Präpositionen ein wenig aus der Grammatik-Spur laufen. Ein recht dummer Fall von “wegen des“ und “nahe dem“

In der vergangenen Woche habe ich von "Sprachdummheiten" gesprochen, und nun füllt sich mein Postfach mit Beispielen. Mit vielen tatsächlichen oder vermeintlichen Sprachdummheiten geht es jedoch wie mit der Hamburger Aalsuppe oder der glibbernden Schweinebacke zum Holsteiner Grünkohl: Manche mögen sie, andere lehnen sie entsetzt ab. Über Geschmack lässt sich eben nicht streiten.

Keine Sprachdummheit, sondern eine ausgemachte Sprachpeinlichkeit ist der nicht auszurottende Gebrauch des falschen Kasus (Falls) bei Präpositionen (Verhältniswörtern). Jede Präposition fordert einen bestimmten Kasus, einige je nach Bedeutung sogar zwei: Die Erbensuppe kocht in dem kleinen Topf (Dativ, wo?), dann gieße ich sie in den großen Topf (Akkusativ, wohin?).

Eindeutig ist der Genitiv bei wegen des Wetters oder bei einschließlich des Begrüßungscocktails bzw. der Dativ bei nahe dem Bahnhof oder gegenüber dem Rathaus. Man kann diese Präposition auch nachstellen, was den Fall noch deutlicher macht: Dem Rathaus gegenüber steht die Kirche. Seit Bastian Sick den etwas gewagten Titel "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" gewählt hat, scheint alle Welt zu glauben, den Genitiv retten zu müssen, als sei er der aussterbende Wachtelkönig der Grammatik. Recht häufig ist jedoch der Dativ in Gefahr. Es heißt nahe dem und nicht "nahe des"!

Gestern berichtete mir ein Nachbarjunge aufgeregt: "Wegen dem Schnee fällt das Osterfeuer gegenüber des Spielplatzes aus!" Eltern und Lehrer sind in solchen Fällen leicht geneigt, den Schwarzen Peter für das falsche Deutsch an die Zeitung weiterzureichen. Doch der Knirps liest gar keine Zeitung, besucht aber schon die 5. Klasse der Dörfergemeinschaftsschule. Ich habe deshalb erhebliche Zweifel, ob die Erfüllung der Forderung nach immer mehr Lehrern bei jährlich abnehmenden Schülerzahlen die Sprachbildung unseres Nachwuchses entscheidend verbessern würde.

Das nicht flektierbare Wort statt hat als Präposition den Genitiv nach sich: Statt des Vaters (nicht: dem Vater) erschien die Mutter, und der Klassenlehrer sprach mit ihr statt seiner (nicht: statt ihm). Ist der Genitiv im Plural nicht erkennbar, wird der Dativ gebraucht. Das gilt übrigens auch für wegen oder einschließlich : statt Eiern, wegen Geschäften, einschließlich Getränken. Wird statt nicht als Präposition, sondern als Konjunktion benutzt, dann hängt der folgende Kasus nicht von statt, sondern vom Verb ab: Er gab das Geld ihr statt ihm (Er gab das Geld ihr, statt es ihm zu geben).

Immer wieder werden das natürliche und das grammatische Geschlecht verwechselt, auch in seriösen Publikationen, wobei wir das eigene Glashaus gar nicht ausnehmen wollen. Das Mädchen entkam. Die Polizei fing "sie" wieder ein. Nein, ohne den großen Fahndungserfolg unserer Beamten schmälern zu wollen, sei der Hinweis gestattet, dass nicht "sie", sondern "es" geschnappt worden ist. Übrigens ist auch Klein Fritzchen sächlich, nämlich das kleine Fritzchen. Und wenn sich der Hosenmatz noch so sehr in Positur wirft - grammatisch bleibt Klein Fritzchen ein "es" und kein "er".

Der Einwand, ich schreibe sodass stets zusammen, ist zwar gut beobachtet, aber kein Fehler. In der alten Rechtschreibung hieß es "so daß" in zwei Wörtern, nach der Reform können wir sowohl sodass als auch so dass buchstabieren. Das Abendblatt richtet sich, um die Einheitlichkeit zu wahren, nach der Empfehlung des Dudens und hat deshalb im letzten Jahr 12.237-mal "sodass" in einem Wort geschrieben.

Zum Schluss ein Blick auf den inflationären Gebrauch des Adjektivs "mutmaßlich". Als gute Demokraten halten wir uns an die Unschuldsvermutung. Wir sollten jedoch aufpassen, dass aus einer Unschuldsvermutung keine Tatvermutung wird. Falls ein Mann nachts eine Spielhalle überfällt, der Kassiererin das Messer an die Kehle hält und die Kasse leert, dann haben wir es durchaus mit einem realen Täter und einer realen Tat zu tun. Allenfalls handelt es sich mutmaßlich um einen Südosteuropäer. Wenn wir aber lesen: Der mutmaßliche Täter trug eine helle Jeansjacke, haben wir entweder eine Sprachdummheit aus dem Polizeibericht übernommen - oder die Kassiererin müsste farbenblind gewesen sein.