Der Verein muss sich nicht neu erfinden, aber es müssen professionelle Strukturen her. Hannover 96 könnte dem HSV als Beispiel dienen.

Hamburg. Der gute Frank Arnesen ist unschuldig. Vorstand und Aufsichtsrat des HSV haben sich vor ihren Sportchef gestellt. Einstimmig, versteht sich. Und schriftlich. Der Vorstand, so wurde mitgeteilt, hat "keinerlei Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Frank Arnesen". Natürlich nicht. Dass der Däne eine viel zu hohe Ablösesumme für den kroatischen Zugang Milan Badelj bezahlt haben soll, ist nur ein Gerücht, nicht zu beweisen und deswegen vom Tisch.

Viel Lärm um nichts? Nicht so ganz. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Der Aufsichtsrat hatte 27 Zu- und Abgänge des HSV, die unter der Regie von Arnesen - erst seit Mai 2011 im Amt - über die Bühne gegangen sind, juristisch prüfen lassen. Weil es angeblich gewisse Verdachtsmomente und viel zu viele Berater gegeben hat. Fußball kurios. Der HSV, sportlich gerade dabei, sich mit Rafael van der Vaart und Co. zu stabilisieren und zu erholen, braucht ganz offenbar stets ein wenig Chaos in den eigenen Reihen, sonst herrscht keine Zufriedenheit im Volkspark.

Viele Köche verderben den Brei. Das war schon immer so. Auch im Fußball, ganz speziell beim HSV. Im November 1996 wurde erstmalig ein zwölfköpfiger Aufsichtsrat installiert, und fortan herrschte Leben in der Bude, Verrat und Intrigen gehörten zum Alltag des Vereins mit den drei großen Buchstaben. Weil erstens viele Leute im Nobelklub aus der Rothenbaumchaussee etwas zu sagen haben wollten und weil zweitens zu viele Leute mitreden, die keine Ahnung vom Geschäft hatten und haben. Motto: Im HSV ist jeder wichtig - besonders ich.

Dabei wäre es nicht einmal etwas Neues, wenn sich Sportchef Frank Arnesen wirklich von einigen und vielleicht auch von zu vielen Beratern hätte beraten lassen. Auch das hat doch mittlerweile Tradition beim HSV. Und zwar von "ganz oben" abgesegnet. Da wurden bisweilen auch schon mal beide Augen fest und naiv zugedrückt. Getreu dem Motto: Ich lasse mich in ein Amt wählen, hole mir die richtigen Berater an meine Seite - und der HSV bezahlt sie. Erstens weil ohnehin alles generös abgenickt wird, zweites weil in diesem Verein die linke Hand nicht mehr weiß, was die rechte gerade getan hat. Das klingt wie ein Märchen, ist aber bittere Realität.

Diese Posse um Frank Arnesen aber hat nur wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, dass der HSV in dieser Form nicht zu retten ist. Es müssen endlich professionelle Strukturen her, der HSV muss in seinen eigenen vier Wänden aufräumen, Schluss mit diesem amateurhaften Getue.

Und wer nicht weiß, wie so etwas gehen soll, der muss gar nicht mal so weit nach einem Paradebeispiel Ausschau halten. Es muss nicht immer Dortmund sein: 150 Kilometer südlich von Hamburg ist Hannover 96 zu Hause. "Hier regiert der HSV", skandierten die niedersächsischen Fans zuletzt am Sonntag beim 4:0 in Wolfsburg. Hamburger HSV-Anhänger haben solche Anfeuerungsrufe schon lange nicht mehr über ihre Lippen gebracht ...

Wie aber hat Hannover 96 das geschafft? Der deutsche Meister von 1954 war doch einst bis in die Regionalliga abgestiegen, schaffte erst 2002 wieder den Aufstieg in die Erste Bundesliga? Und heute gibt es in Hannover eine so großartige und vor allen Dingen funktionierende Mannschaft! Ein beispielhaftes Werk, das von drei Männern erschaffen wurde: Slomka, Schmadtke und Kind. Trainer, Sportchef und Vereinsboss. So einfach ist das - wäre es.

Bei 96 haben lediglich diese drei Leute das Sagen, kein anderer wagt es, da auch nur noch ein Wörtchen mitzureden. Keine Räte, nicht die Herrschaften vom Ältestenrat, keine selbst ernannten Experten - erst recht kein "Mister Wichtig", der Fußball versteht und alles weiß. Nur Mirko Slomka, Jörg Schmadtke und der Unternehmer Martin Kind, der sich fußballerische Tipps von seinem langjährigen Freund, dem ehemaligen (HSV-)Profi Dieter Schatzschneider, holt. Und der Laden läuft. Wie geschmiert. Für weniger Geld (als in Hamburg ausgegeben wird), mit gutem Auge, mit großer Ahnung und vor allem mit viel Vertrauen untereinander.

Und genau deshalb sollte sich der "große HSV" von der Elbe einmal an diesem "kleinen HSV" von der Leine ein Beispiel nehmen. Hamburg muss sich neu inszenieren - weniger ist mehr.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab