Die Euro-Rettung taugt nicht zur Profilierung Einzelner - sie ist wichtiger als die Koalition.

Als Ort für ihr Machtwort wählte Kanzlerin Angela Merkel gestern die Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung. Sie ließ keinen Zweifel daran, den Euro retten zu wollen. "Alles, was diesem Ziel dient, ist zu tun, und alles, was diesem Ziel nicht dient, ist zu unterlassen", betonte die Kanzlerin.

Ein Satz, der wie ein Satz heiße Ohren für ihre Koalitionspartner wirken muss. Denn Politiker der CSU und der FDP haben in den vergangenen Tagen kaum eine Gelegenheit ausgelassen, das Vertrauen in den Euro zu erschüttern. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) denkt laut über eine Insolvenz Griechenlands nach und bekommt dafür Applaus von CSU-Parteichef Horst Seehofer. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) schwadroniert, man solle Griechenland nicht um jeden Preis retten, und der FDP-Politiker Frank Schäffler tourt mit seiner Ablehnung von Euro-Rettungsschirmen und Griechenland-Hilfen durch die Talkshows der Republik. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler schließlich klagte in Karlsruhe sogar gegen den Euro-Rettungsschirm.

In der Bevölkerung wird man mit derlei Thesen Zustimmung finden - und inhaltlich betrachtet haben viele sogar nicht einmal unrecht. Natürlich muss man auch die Pleite Griechenlands durchgerechnet haben - und doch schadet die öffentliche Debatte, weil sie die Krise verschärft. In der momentanen Euro-Hysterie muss die politische Maxime gelten: Reden ist Blech, Schweigen ist Gold.

Denn die Finanzmärkte reagieren weder rational noch effizient, noch dem Euro wohlgesinnt. Es gibt eine massive Spekulation gegen die Gemeinschaftswährung, Irrationalität und Hysterie dominieren die Börsen. Dass ein Gastbeitrag von Philipp Rösler in der "Welt" die Weltbörsen erzittern lässt, ist ein Beweis für die Nervosität - und ein eindringliches Gebot, den Mund zu halten. Jede deutsche Stimme, die am Euro zweifeln lässt, unterminiert die Rettungsanstrengungen und treibt einen tieferen Keil in das europäische Bündnis.

Das alles wissen auch Rösler, Seehofer und die anderen - aber sie ordnen die höheren Fragen offenbar niederen Beweggründen unter. Die FDP liegt in Agonie und hofft, dank markiger Stimmen gegen den Euro doch noch ins Berliner Abgeordnetenhaus zu gelangen; was zählen Hunderte Rettungsmilliarden, wenn es um einige Hundert Stimmen geht? Und Horst Seehofer, der inhaltlich ohnehin beweglich wie ein Windspiel ist, kritisiert den Euro so laut, weil sein innerparteilicher Widersacher Peter Gauweiler in die Parteispitze drängt.

Bei allem Verständnis für die innenpolitischen Irrungen und Wirrungen verläuft die Grenze genau dort, wo es um die Verantwortung für Europa geht. Diese Grenze kannten Politiker wie Helmut Kohl oder Hans-Dietrich Genscher genau. Es ist kein Wunder, dass Wolfgang Schäuble einer der letzten konsequenten Kämpfer für den Euro ist, weil er um seine Bedeutung für den Wohlstand in Deutschland weiß.

Heute aber regiert Wankelmut. Mit solchen Bündnispartnern lässt sich weder die Gemeinschaftswährung retten noch ein Staat machen. Derzeit ist ein Bruch der schwarz-gelben Koalition zwar unwahrscheinlich - mangels Alternativen und angesichts verheerender Umfragewerte. Und doch kann der Tag kommen, an dem Angela Merkel Führungsstärke zeigen muss. Wer den Euro wirklich retten will, kann und darf auf einzelne Koalitionäre nicht ewig Rücksicht nehmen.