Die USA gehen schweren Zeiten entgegen - und mit ihnen die Weltwirtschaft.

Es ist noch keine 20 Jahre her, da sprach der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in seinem viel beachteten Aufsatz vom "Ende der Geschichte". Seine optimistische Botschaft nach dem Ende des Kalten Krieges lautete: Demokratie und Liberalismus haben die totalitären Systeme von Faschismus und Kommunismus überlebt. Zugleich stand die letzte verbliebene Supermacht, die Vereinigten Staaten von Amerika, wie kein zweites Land für die Überlegenheit von Rechtsstaatlichkeit und freier Marktwirtschaft.

Spätestens mit der Nacht zum 6. August sieht die Welt anders aus. Nachdem die Rating-Agentur Standard & Poor's den USA erstmals seit sieben Jahrzehnten die Bestnote entzogen und die Kreditwürdigkeit heruntergestuft hat, ist die Weltmacht erschüttert - und mit ihr die Weltordnung der vergangenen Jahrzehnte. Zusätzliche Brisanz bekommt diese Herabstufung durch den Zeitpunkt: Sie erfolgt ausgerechnet im Moment einer gigantischen Schuldenkrise, einer Krise der Demokratie insgesamt und einer globalen Machtverschiebung. Der Einfluss der USA schwindet, die Macht Chinas wächst.

In den vergangenen Jahren hatten die USA ihre Rolle als Finanzsupermacht weiter ausüben können, weil die amerikanische Wirtschaft mit China so eng verzahnt ist, dass Ökonomen schon von "Chimerica" sprechen. Die Vereinigten Staaten leben auf Pump, und China ist der Hauptgläubiger. Im Gegenzug konnte das Reich der Mitte seine exorbitanten Exporte vor allem in die USA verkaufen. Mit der Herabstufung der US-Bonität stößt dieses Modell an seine Grenze. Die Chinesen reagierten wütend: Staatliche Medien geißelten die "Schuldensucht" der USA. Was die Chinesen verschweigen - sie waren der Hauptdealer für diese Süchtigen. Der scharfe Ton zeigt, wie groß die Angst in Peking um die USA als Absatzmarkt und Schuldner ist.

Längst drohen sich Schulden- und Wirtschaftskrise gegenseitig aufzuschaukeln. Auch wenn sich viele in Deutschland auf einer Insel der Seligen wähnen, gerät die Weltkonjunktur in Gefahr. In der vergangenen Woche verloren die Weltbörsen zweistellig - als finaler Paukenschlag kam nach Börsenschluss die Herabstufung von Standard & Poor's. So berechtigt die Einschätzung der Rating-Experten sein mag, sie hinterlässt einen faden Beigeschmack. Es waren die Rating-Agenturen, die die große Finanzkrise durch Fehleinschätzungen mit ausgelöst hatten. Um die Weltwirtschaft danach vor der Depression zu retten, legten die Staaten massive Konjunkturpakete auf. Der Preis war ein rasanter Anstieg der Staatsverschuldung. Mitunter erinnern Rating-Agenturen und Spekulanten fast an Brandstifter, die erst im Haus zündeln und nach Beendigung der Löscharbeiten auf die Feuerwehrleute schießen.

Überhaupt, und hier lauert die größte Gefahr, zeigen Finanz- und Schuldenkrise die Grenzen der Politik und damit der Demokratie auf. Es entsteht der Eindruck, die Finanzmärkte führen mit den demokratisch legitimierten Regierungen Schlitten. Doch diese Märkte sind keine dunklen Schattenmächte, wie Verschwörungstheoretiker glauben machen, sondern die Schwarmintelligenz oder die Lemmigdummheit vieler - von Investmentbankern und Pensionsfonds, von Versicherungen und Kleinanlegern. Die Märkte sind wir alle - daher sollte allen Akteuren auch daran gelegen sein, dass die Staaten mit einem Mehr an Regulierung die Hoheit des Handelns zurückgewinnen. Selbst die Investor-Legende Warren Buffett warnt vor "finanziellen Massenvernichtungswaffen" und fordert schärfere Kontrollen der Finanzmärkte.

Scheitern hier die Staaten, droht ein Dominoeffekt, der Demokratie und Liberalismus gefährden kann. Das wäre ein Ende der Geschichte, das sich keiner wünschen kann.