Nach der Abstimmung muss Helgoland neue Wege finden.

Wenn in einem Dorf mit 1300 Einwohnern ein Bürgerentscheid ansteht, mag das die örtliche Zeitung beschäftigen. Andere wohl kaum. Bei Helgoland ist das anders. Die Diskussion über eine gigantische Landaufspülung findet sogar internationale Öffentlichkeit, auch wenn sie jetzt nach dem Nein zunächst wieder verebben könnte.

Dieses Interesse war schon 2008 groß. Als der Hamburger Bauunternehmer Arne Weber die erste Aufspülungsvision vorstellte, meldeten sich TV-Sender aus Japan. Denn dieser Plan ist faszinierend in einer Welt, die immer enger wird für die Menschen: sich einfach Land vom Meer zurückzuholen, um weiter wachsen zu können. Eine Insel, deren Fläche sich fast verdoppelt - das hat es noch nicht gegeben.

Helgoland ist aber mehr als nur eine kleine Insel mit großen Problemen. Helgoland ist auch Symbol, ein ziemlich deutsches sogar. Zwischenzeitlich gehörte die Insel zwar zu Großbritannien, mit dem Helgoland-Sansibar-Vertrag ging sie 1890 dann ans Deutsche Reich. Zwar nicht im Tausch mit der afrikanischen Insel, wie oft behauptet, aber dennoch ging es um Gebietsansprüche in den Kolonien. Deutschland wollte Helgoland, weil es als strategischer Vorposten galt.

Und Helgoland ist schon seit 1826 national bedeutendes Seebad, Dichter wie Heine verbrachten hier ihren Urlaub. Hoffmann von Fallersleben ersann hier euphorisch den Text für das Deutschlandlied. 1952 besetzten Helgoländer ihre gesperrte und zerbombte Insel und erzwangen den Wiederaufbau, der mit Spenden aus dem gesamten Land unterstützt wurde. Doch diese Verbundenheit hat seit Jahrzehnten gelitten, zu sehr haben sich die Insulaner auf Butterfahrt-Tourismus konzentriert und manch anderen Gast verschreckt.

Das muss sich nun ändern. Unabhängig davon, dass die geplante Aufspülung erst einmal vom Tisch ist, weil die Inselbewohner den Charakter ihrer Insel behalten wollen und sich durch ein einziges Megaprojekt nicht den Weg zu anderen Zielen versperren wollten. Wenn Touristen ausbleiben, die jungen Leute fliehen - dann hat die Insel keine Zukunft, schon jetzt liegt das Durchschnittsalter bei rund 58 Jahren!

Etwas aber haben die Helgoländer jetzt bewiesen: Sie können dem Land wie schon bei dem hartnäckig erkämpften Wiederaufbau ein Beispiel geben. Denn entschieden wurde hier nicht in Hinterzimmern. Entschieden haben die Bürger selbst. Ein Basta-Beschluss der besseren, der demokratischen Art, der jedes Nachtreten jetzt verbietet.