Steuersenkungen taugen nicht zur Stabilisierung der Koalition.

Die neue FDP liefert - wie es ihr Vorsitzender Rösler auf dem Parteitag in Rostock versprochen hat. Kurioserweise liefert sie einen Ladenhüter, mit dem schon die alte FDP gescheitert war. Und weil die Kanzlerin begreift, wie ernst es Rösler mit der Forderung nach Steuersenkungen ist, spannt sie einen Koalitionsrettungsschirm. Der allerdings ist - wie schon die Rettungsschirme für Banken und europäische Schuldenstaaten - mit erheblichen Risiken behaftet.

Zur Begründung behilft man sich in der Koalition mit Populismus: Wie kann es sein, dass immer neue Hilfspakete für die Griechen geschnürt werden, aber kein Geld zur Entlastung der deutschen Mittelschicht da ist? Die ehrliche Antwort würde lauten: Auch für Griechenland ist das Geld nicht da. Einen Staatsbankrott zuzulassen wäre verantwortungsvoller, als gegen Grundprinzipien der EU zu verstoßen und fortwährend Milliarden nach Athen zu transferieren.

Ist erst der dauerhafte Rettungsmechanismus für den Euro etabliert, haften die Deutschen mit bis zu 211 Milliarden für die Stabilität der gemeinsamen Währung. Darüber hinaus wird die Energiewende die öffentlichen Haushalte in einer Dimension belasten, die niemand genau ermessen kann. Angesichts dieser Perspektiven erfordert es besonderes Talent, neue Spielräume für Steuersenkungen auszumachen. Eine Regierung, die über den nächsten Wahltag hinaus denkt, würde sich im Aufschwung an die Verpflichtungen der Schuldenbremse erinnern - und ein Sicherheitspolster anlegen. Die thüringische Ministerpräsidentin Lieberknecht, eine Parteifreundin der Kanzlerin, warnt schon davor, Aufschwung mit Überschwang zu beantworten.

Die Wortmeldung weist auch auf das politische Risiko hin, das in der neuerlichen Kehrtwende der schwarz-gelben Regierungskoalition liegt. Union und FDP sind ein erhebliches Stück davon entfernt, im Bundesrat eine Mehrheit von Steuersenkungen zu überzeugen. Das Vorhaben droht zu enden wie ein anderer Meilenstein der Koalition: die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Oder wie die Reform des Arbeitslosengeldes, die im Bundesratsverfahren zerpflückt wurde. Herauskommen könnte eine symbolische Entlastung, die an die Erhöhung des Regelsatzes von Hartz IV erinnert. Die Kanzlerin, die sich gerne von Umfragen leiten lässt, sollte nicht aus den Augen verlieren, dass die Bürger mehrheitlich rasche Steuersenkungen ablehnen. Sie erscheinen ihnen zu gewagt.