Trotz Differenzen ist die Partnerschaft mit den USA nicht bedroht.

Geologisch betrachtet driften Europa und Amerika pro Jahr rund zwei Zentimeter auseinander. Die politische Trennung zwischen Deutschland und den USA scheint derzeit deutlich zügiger zu verlaufen. Die abweichenden Ansichten bezüglich geeigneter Maßnahmen im Libyen-Konflikt oder in der globalen Finanzkrise sind auch mit Medaillen und präsidialen Ehren für Angela Merkel nicht zu beschönigen. Das Verhältnis der Kanzlerin zu Barack Obama wirkt wie eine arrangierte Zweckehe. Ist dies nun das Ende der transatlantischen Partnerschaft? Ganz sicher nicht.

Den gegenwärtigen Irritationen liegen auch Fehleinschätzungen beiderseits des Atlantiks zugrunde. Die USA, triumphaler Sieger des Kalten Krieges, haben sich viel zu sehr an die Position einer alleinigen Supermacht gewöhnt. In Washington gibt es noch zu viele auf den Fluren der Macht, die sich gegen das Modell einer multipolaren Weltordnung stemmen. Doch das machtpolitische Alleinstellungsmerkmal der USA war ebenso eine historische Anomalie wie der Kalte Krieg, der ein deutsch-amerikanisches Trutzbündnis samt Gefolgstreue erzwang. Dass Deutschland nun in Einzelfragen andere Instrumentarien als die USA befürwortet, ist nicht weiter alarmierend, sondern der politische Normalfall - solange es in enger Abstimmung geschieht. Die deutsche Enthaltung in Sachen Libyen-Einsatz war, obwohl sachlich wohlbegründet, taktisch ein Fehler von Außenminister Guido Westerwelle, da sie die Bundesrepublik in den Ruch der bündnispolitischen Unzuverlässigkeit brachte. Doch gerade das Thema Libyen eignet sich wenig als transatlantischer Spaltpilz - starke Kräfte beider Parteien im US-Kongress sind mittlerweile ebenso gegen den unfruchtbaren Militäreinsatz wie die Bundesregierung in Berlin. Die europäische Mittelmacht Deutschland, umgeben von Freunden und versehen mit einer Schrumpfarmee, setzt andere Prioritäten als die Weltmacht USA - das ist nur natürlich. Doch wirkt das außenpolitische Konzept Berlins von Euro-Krise bis Afghanistan streckenweise unentschlossen und hastig improvisiert.

Konfrontiert mit wachsenden sicherheits- wie wirtschaftspolitischen Herausforderungen, sind Deutschland und die USA aufeinander angewiesen. Dass Angela Merkel und Barack Obama, kühle Analytiker beide, keine schulterklopfende Kumpanei betreiben, wird überschätzt. Dass sie ungeachtet mancher Differenzen im Kern ihrer Politik von denselben Werten geleitet werden, wird unterschätzt.