Die Rolle rückwärts bei der Atomkraft wirkt wenig überzeugend.

Die Beantwortung der Frage "Wie stehen Sie zur Atomenergie?" zählt zu den Schlüsselfragen unserer Zeit. Jeder halbwegs engagierte Mensch muss sich hierzu positionieren und so sein politisches Fundament preisgeben. Denkt er eher lang- oder kurzfristig, eher grundsätzlich oder abwägend? Hält er das minimale Risiko eines Super-GAUs für vertretbar, um Stromstandards zu sichern und CO2-Emissionen zu minimieren? Oder findet er, dass Vieltausende Jahre strahlendes Material erst gar nicht zur Entfaltung kommen darf, solange unklar ist, wie Vieltausende Jahre sichere Entsorgung garantiert werden kann? Kurzum: Sieht er in der Atomkraft eine Brückentechnologie oder eine moderne Büchse der Pandora?

Jahrzehntelang wurde über das Thema erbittert gestritten, am Ende siegte die Pandora-Position, und zwar völlig zu Recht. Parteiübergreifend bestand Einigkeit, dass Atomkraft in Deutschland keine Zukunft haben soll. Ein seltener Konsens, getragen von politischer Weitsicht und der Verantwortung gegenüber der Nachwelt. Der Rest war Abwicklung, Geschachere vor allem, um ein paar Laufzeit-Jahre, ein paar Betreiber-Milliarden mehr oder weniger. Zig Studien wurden in Auftrag gegeben, Szenarien entworfen (was, wenn ein Flugzeug ins AKW kracht?), Risiken ausgelotet und ausgeschlossen. In letzter Zeit hatte es gar den Anschein, als erlebe die Atomkraft vielerorts eine Renaissance. Der Impetus, der den Ausstieg erwirkte, drohte im allgemeinen Feilschen um Lobbyinteressen und Emissionswerte zu verblassen.

Die gegenwärtige Reaktion Berlins auf die schrecklichen Vorkommnisse in Japan allerdings führt die politische Vernunft als Kriterium schwarz-gelber Atompolitik vollends ad absurdum. Kaum steht das Wahlvolk unter dem Schock der Bilder aus Fernost, steuert die Regierung um und kündigt an, die selbst soeben initiierten längeren Laufzeiten für AKWs zurückzunehmen und die Sicherheitsfrage ganz neu zu stellen. Ihre Botschaften des Tages: Vergesst einfach, was wir euch gestern erzählten - wir haben nämlich selbst keine Ahnung, wie sicher unsere AKWs wirklich sind. Und uns interessiert auch nicht so sehr das Wohl der Nachwelt, als vielmehr der Erfolg bei den kommenden Landtagswahlen.

Es ist schlimm zu sehen, wie bedrohlich die per se unkalkulierbare Atomtechnologie im Ernstfall sein kann. Umso unerträglicher, mit welch durchsichtigem Aktionismus Merkel, Westerwelle & Co. der Macht der Bilder begegnen.