Deutschland kommt um eine neue Atomdebatte nicht herum.

Harrisburg, Tschernobyl und jetzt Fukushima - die Welt schaut, mal wieder, in einen atomaren Abgrund. Und dort droht ein Höllenfeuer. Noch wissen wir nicht, was genau in Fukushima passiert ist - und was noch passieren kann. Kernschmelze wie in Tschernobyl? Oder doch nur eine teilweise Kernschmelze, was für den Laien so klingt wie ein bisschen schwanger und bekanntlich auch nicht geht.

Die Informationspolitik in Japan folgt dem Muster von Harrisburg und Tschernobyl. Verschweigen, verharmlosen, nur das Nötigste zugeben. Die gewaltige Explosion am Unglücksreaktor wurde erst dann bestätigt, als die Bilder davon schon im Fernsehen zu sehen waren und sich im Internet in Sekundenschnelle über die Welt verbreiteten.

Kleinreden aber macht die Skeptiker erst richtig groß. Gewiss, Japan liegt in einer extrem gefährlichen Erdbebenzone. Aber es ist ein Hightechland, dessen Ingenieure sich schon seit Jahrzehnten auf Augenhöhe mit ihren deutschen Kollegen bewegen. Toyota ist weltweit die Nummer eins unter den Autobauern und die Wunderzüge der Japaner sind weniger defektanfällig als die deutschen ICEs. Sie bauen Hochhäuser auf Rollen - und die hielten auch dem Beben stand. Aber die Generatoren des Reaktors im Land der Elektroautos laufen jetzt auf Batteriestrom.

Deutschland hat so starke Erdbeben wie Japan nach menschlichem Ermessen nicht zu erwarten und in Tschernobyl war menschliches Versagen die Ursache für den atomaren Feuersturm. Die Unglücksreaktoren von Fukushima gehören nun aber zu jener Sorte von Atom-Oldtimern, die auch in Deutschland stehen, wie etwa der Pannenreaktor von Brunsbüttel, dessen Laufzeit gerade verlängert worden ist.

Nicht nur deswegen wird Deutschland eine neue Kernkraftdebatte bekommen - ob Schwarz-Gelb das will oder nicht. Kanzlerin Merkel weiß das nur zu genau. Die Physikerin mit dem echten Doktortitel vertraut eigentlich der Atomenergie. Die Politikerin Merkel weiß aber auch, wie Emotionen politische Debatten dynamisieren können.

52 Prozent der Deutschen sprachen sich im vergangenen Jahr in einer Emnid-Umfrage gegen die Kernkraft aus - als die Republik über die Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke diskutierte. Bald werden die Umfragen ganz anders ausfallen. Die Atomdebatte, das weiß die Kanzlerin, hat jetzt neu begonnen. Und sie muss auch geführt werden - egal ob da gerade Landstagswahlen anstehen oder nicht.