Ein Bürgermeister Scholz muss die alten SPD-Fehler vermeiden.

Die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft werden im großen Geschichtsbuch der Stadt ein neues Kapitel aufschlagen, wenn sie heute den Sozialdemokraten Olaf Scholz zum Ersten Bürgermeister wählen. Die SPD kehrt mit dem Rechtsanwalt aus Altona und dank ihm nach einer schwarzen Dekade mit den Roten in Opposition an die Schalthebel der Macht im Rathaus zurück.

Olaf Scholz' überragender Wahlerfolg der absoluten Mehrheit beruht in erster Linie darauf, dass er Schwächen und Fehler des CDU-geführten Senats konsequent ausgenutzt hat. Die Union hat sich nach zehn Jahren in der Regierungsverantwortung verbraucht. Immer mehr Bürger verloren den Glauben daran, dass die Stadt unter christdemokratischer Führung gut regiert wird. Nach dem Bruch des schwarz-grünen Bündnisses durch die GAL fehlte der Union zudem noch eine konkrete Machtperspektive. Sie hatte gewissermaßen das Oppositionsticket gebucht.

Im Augenblick des sozialdemokratischen Triumphs gerät leicht aus dem Blick, dass die SPD 2001 nach 44 Jahren ununterbrochener Herrschaft im Rathaus zu Recht abgewählt worden war. Die Partei verstand die Sorgen der Bürger nicht mehr - oder nahm sie nicht mehr wahr. Exemplarisch galt das für die mangelhafte Sicherheitslage der Stadt. Mehr als vier Jahrzehnte der SPD-Herrschaft hatten aber auch dazu geführt, dass öffentliche Verwaltung und Partei höchst ungut miteinander verschlungen waren. Kritiker sprachen angesichts dieser filzhaften Verkrustungen davon, dass die SPD die Stadt als ihre Beute betrachtete.

Scholz wird beweisen müssen, dass die SPD 2011 aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Eine erste Chance dazu besteht bereits bei der Berufung seines Kabinetts und des Staatsräte-Kollegiums. Fachkompetenz geht vor Parteibuch - das ist das angemessene Motto. Dass Scholz mit Ex-Handelskammer-Präses Frank Horch für das Ressort Wirtschaft und mit der Berlinerin Barbara Kisseler für die Kultur zwei parteilose Senatsmitglieder nominiert hat, ist ein guter Anfang. Ein nachahmenswertes Beispiel hat Ole von Beust geliefert, der als Bürgermeister auch Sozialdemokraten "weiterbeschäftigt" hat. Es gibt eben fähige Leute in allen Lagern.

Vor allem muss der neue Bürgermeister aber nach den zum Teil unglaublichen Kapriolen der vergangenen Monate Verlässlichkeit und Berechenbarkeit in die Politik zurückbringen. Man darf es Olaf Scholz zutrauen.