Guttenbergs Verteidigungsstrategie hat Endzeitcharakter.

Um zu ermessen, wie dicht ein Politiker am Abgrund steht, hilft ein Blick auf seine Verteidigungsstrategie. Als Franz Josef Jung in der Kundus-Affäre begann, sich selbst zu widersprechen, wurde sein Rücktritt zwingend. Die Auftritte seines Nachfolgers in der Affäre um eine wenig wissenschaftliche Doktorarbeit legen einen ähnlichen Schluss nahe.

Volten in der Begründung tief greifender Entscheidungen ist man von Karl-Theodor zu Guttenberg gewohnt. Dass er selbst seine Eignung für ein Regierungsamt in Zweifel zieht, ist allerdings neu.

Der Verteidigungsminister ist entschlossen, die Vermutung zu ersticken, er habe seine Doktorarbeit schreiben lassen. Schließlich hat er an der Universität Bayreuth eine "ehrenwörtliche Erklärung" abgegeben, seine Dissertation sei selbstständig verfasst. Inzwischen räumt Guttenberg gravierende Fehler ein - und schiebt eine bemerkenswerte Begründung nach: Er habe an der einen oder anderen Stelle seiner Arbeit "den Überblick über die Quellen verloren".

Daran knüpfen sich wesentliche Fragen: Hatte der Minister den Überblick, als er Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert in der Kundus-Affäre schasste? Vermochte er die Fakten zu ordnen, als er den Kapitän der "Gorch Fock" von seinen Aufgaben entband? Besitzt er als Oberbefehlshaber den Überblick, wenn es darum geht, den Krieg in Afghanistan zu beenden und die Bundeswehr abzuziehen?

Guttenbergs Versuch, die Deutungshoheit über seinen Weg zum Doktor außer Diensten zu erringen, hat gestern die Universität Bayreuth durchkreuzt. Er kann nicht mit großer Geste auf den Titel verzichten. Die Prüfung der Arbeit wird fortgesetzt - und der Doktorgrad gegebenenfalls aberkannt. Auch die Interpretation, es stehe allenfalls die Glaubwürdigkeit des Wissenschaftlers, nicht aber des Politikers Guttenberg auf dem Spiel, lässt sich nicht halten. Der Ältestenrat des Bundestages wird prüfen, ob der CSU-Abgeordnete den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages unzulässig für seine Doktorarbeit genutzt hat. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs steht im Raum.

Guttenberg ist der Mann, den sich viele Deutsche als Bundeskanzler gewünscht haben. Die wiederholte Beteuerung eigener Demut kann seine Fallhöhe nicht verringern. Vielleicht scheut er auch deswegen den konsequenten Schritt.