Die perfekte Inszenierung schützt den Fußball nicht vor Absagen.

Nie war der vom Fußballweisen Otto Rehhagel so geliebte Spruch so richtig wie an diesem Wochenende: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. In diesem Fall war es Wasser. Sehr viel Wasser, das eine Austragung des 131. Hamburger Derbys zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli unmöglich machte.

In Zeiten, in denen der Mensch auf den Mond fliegen kann, eigentlich unbegreiflich, dass Regen ein Sportereignis verhindern kann, das in 187 Länder übertragen werden sollte und eine ganze Stadt elektrisierte. Dabei ist doch der Fußball so modern und technisiert wie nie. Saßen die meisten Fans noch vor wenigen Jahren in zugigen, kalten Stadien, sind heute überall in Deutschland und Europa reine Fußball-Tempel mit allem erdenklichen Schickschnack entstanden. Nachdem die Leichtathletik-Laufbahnen wegfielen, begeisterten sich immer mehr Zuschauer für die dichte Atmosphäre. So konnten jedes Jahr neue Besucherrekorde gemessen und Vermarktungserfolge vermeldet werden.

Unter der Architektur der Hightech-Stadien leidet allerdings die Arbeitsgrundlage der Spieler sichtlich - der Rasen. Weil Belüftung und Licht nur unzureichend vorhanden sind, kämpfen die Profigärtner der Klubs regelmäßig nur darum, das unvermeidbare Absterben der Gräser zu verlangsamen. Da in der Fußballmoderne sogar Länderspiele auf Kunstrasen ausgetragen werden, wird ein solch seltsamer Spielausfall wie der in Hamburg deshalb die Diskussion neu befeuern, ob auch die Bundesliga mittelfristig auf synthetischen Untergrund umsteigen muss, schließlich werden mit dem Klimawandel feuchte und milde Wintermonate die Regel sein. Das aber wäre der falsche Weg.

Fußball wird deshalb von den Massen geliebt, weil er eben nicht zu 100 Prozent planbar und perfekt zu inszenieren ist. Nicht umsonst wurden Spiele wie das bei der WM 1974 zwischen Deutschland und Polen legendär, als Helfer versuchten, den Rasen mit Schwammwalzen bespielbar zu machen. Eine voll klimatisierte WM wie im Jahr 2022 ist für echte Fußballfans eine katastrophale Vorstellung. Sie werden nach der Absage des Derbys gedacht haben: Früher wäre das Geläuf einfach ordentlich umgepflügt worden.

Die Wahrheit hinter diesem Spielausfall kann aber auch eine ganz andere sein: Vielleicht zieht der HSV das Pech in dieser Saison magisch an. Missgeschick bei der Sportchef-Suche, ein kaputtes Fax bei einem Spielerverkauf. Und jetzt streckt den HSV-Rasen ein ordinärer Niederschlag nieder.