Deutschland kommt auch ohne Wehrpflicht gut zurecht.

Die Wehrpflicht geht zu Ende, der letzte Jahrgang ist eingezogen. Wir sollten uns darüber freuen, auch wenn

mit dem allgemeinen Militärdienst nun in der männlichen Bevölkerung eine Art kollektive, generationenübergreifende Erinnerung ausläuft. Meist äußerte die sich in Form von Anekdoten und Heldengeschichten, in deren Verlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit knüppelharte Ausbilder, durchzitterte Winterbiwaks und herzerwärmende Kameradschaft auftauchte. Wer den Zivildienst vorzog, musste zwar oft auf ähnliche Erzählungen verzichten, hatte aber die moralisch wertvolle Gewissheit, Menschen geholfen zu haben.

Sagen wir diesen Erinnerungen nun ohne allzu große Trauer Lebewohl. Denn Deutschland wird auch ohne Pflichtdienst gut zurechtkommen.

Gut 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs herrscht Frieden in Europa, eine große Armee wird nicht mehr benötigt. Auslandseinsätze, in denen deutsche Soldaten kämpfen, werden ausschließlich von Berufssoldaten und Freiwilligen bestritten - denjenigen also, denen auch weiterhin die Bundeswehr offensteht.

Ohne den Grund der Landesverteidigung gibt es keine Rechtfertigung mehr, Tausende auch gegen ihren Willen monatelang in Kasernen zu sperren und ihnen das Kriegshandwerk beizubringen. Einer solchen Rechtfertigung bedarf es aber, denn der Wehrdienst ist ein gewaltiger Eingriff in die Grundrechte, der zudem Männer diskriminiert.

Viel zu lange wurde der Erhalt der Wehrpflicht mit dem Argument unterstützt, ohne Pflichtdienst fehle es sozialen Einrichtungen an ausreichendem Personal. Bei näherem Hinsehen erweist sich dieses Argument als Feigenblatt, hinter dem sich deutsche Politiker zu lange verstecken konnten - statt sich um Alternativen zu kümmern.

Dabei wäre eine Lösung gar nicht so schwer, wie das Modell des Freiwilligen Sozialen Dienstes zeigt, den Familienministerin Schröder seit Monaten propagiert: Er bietet Männern und Frauen jeden Alters die Möglichkeit, sich sozial einzubringen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der freiwillige Sozialdienst zu einer Art ungeschriebenem Gesetz wandelt: Bereits heute prüfen immer mehr Unternehmen vor der Einstellung, ob sich ihr Kandidat sozial engagiert hat. Wer sich in Zukunft nicht aus einem Pflichtbewusstsein heraus für die Gesellschaft einbringt, wird es dann hoffentlich aus Karrieregründen tun - ganz ohne Wehrdienst.