Das neuerliche Bahn-Desaster hat viel mit alten Sünden zu tun.

Es gibt Aufgaben in Deutschland, die sind kaum vergnügungssteuerpflichtig. Das Amt des Bildungssenators gehört dazu, weil sich jeder vermeintlich mit Schule auskennt, - oder das des Fußball-Nationaltrainers angesichts von rund 80 Millionen Besserwissern. Der dritte Job in diesem Trio ist der des Bahnchefs. Angesichts des Winterdesasters ergießt sich ein Schwall von Hohn und Spott über das Unternehmen. Ein Teil des Unmuts erscheint maßlos. Ein modernes Logistikunternehmen ist komplizierter zu steuern als eine Modelleisenbahn. Es ist nur normal, dass Fahrpläne nach starken Schneefällen und strengem Frost aus dem Takt geraten. Verspätungen sind auch keine Menschenrechtsverletzungen, sondern in diesem Fall Folge höherer Gewalt. Während viele Passagiere bei Fluggesellschaften langmütig auf Verzögerungen reagieren, sind sie bei der Bahn schnell ungehalten.

So viel sei zur Ehrenrettung der Bahn gesagt. Doch auch Vorstandschef Rüdiger Grube weiß, dass die Probleme der Bahn längst weiter reichen. Dafür ist in den vergangenen Monaten zu viel schiefgelaufen: Dieselben Probleme, die nun den Staatskonzern erschüttern, ließen sich im vergangenen Winter studieren und hätten in der Zwischenzeit behoben werden können. Stattdessen kamen im Sommer mit dem Ausfall der Klimaanlagen neue peinliche Pannen hinzu. Inzwischen drängt sich der Eindruck auf, der alte Bahn-Slogan "Alle reden vom Wetter - wir nicht" habe sich ins Gegenteil verkehrt; annähernd störungsfrei verkehren die Züge nur noch bei Wohlfühltemperaturen.

Zwar hat die Bahn den Wunsch der Politik nach mehr Rendite erfüllt, doch der Preis war hoch, wie sich jetzt zeigt: Die Manager von einst stellten notwendige Investitionen zurück, strichen Reservezüge aus Spargründen und setzten bei der Wartung und den Personalkosten den Rotstift an. Kurzfristig förderte das den Börsengang, mittelfristig nur noch den Imageverfall. Die Bahn sollte sich an Alfred Kerr erinnern, der einst dichtete: "Mensch, mein Urteil will nicht frech sein und ich übe gern Geduld. Neunmal Pech mag neunmal Pech sein, aber zehnmal Pech ist Schuld." Die Bahn ist längst zweistellig unterwegs.