Die S21-Schlichtung als gelungenes Demokratie-Experiment.

Stuttgart 21 wird gebaut. Das Jahrhundertprojekt eines unterirdischen Bahnhofs wird aller Voraussicht nach noch teurer als die bisher veranschlagten 4,5 Milliarden Euro. Die Proteste dagegen werden weitergehen, bereits unmittelbar nach dem Schlichterspruch von Heiner Geißler skandierten die Gegner gestern im Rathaus lautstark "Oben bleiben!". Handfeste Konflikte am Bauzaun sind in den nächsten Wochen nicht auszuschließen.

Auf den ersten Blick sind also die Ergebnisse, die Heiner Geißler gestern verkündet hat, ziemlich ernüchternd. Dabei ging es in Stuttgart, bei der Schlichtung zwischen zwei unversöhnlichen Lagern, jedoch nur vordergründig um Streckennetze und Fahrplanverbesserungen, um bezahlbaren Wohnraum im Grünen und alten Baumbestand im Park. Da wird jetzt nachgebessert. Das ist gut für das (Gesprächs-)Klima, aber auch teuer für den Steuerzahler.

Bei der Diskussion um S21 ging es auch um die Frage: Interessiert sich der Bürger wirklich für Stadtentwicklung - oder tut er das nur dann, wenn es um sein unmittelbares Umfeld geht? Die hohe Beteiligung von älteren Demonstranten in der Schwabenmetropole hat auch viel mit der Beeinträchtigung von Lebensqualität zu tun. Und man darf vermuten, dass das Interesse an der Einmischung mit der Entfernung der jeweiligen Bauprojekte rapide abnimmt.

Zweitens ist es wichtig festzuhalten, dass "der Bürger" eine hochkomplexe Persönlichkeit ist. Er ist mal gebildet und mal eher schlicht, er sitzt in Initiativen und an Stammtischen, er denkt mal weiter und mal nur in Schubladen.

Diese sechs Wochen haben die Republik daher auch nicht revolutioniert, aber sie haben dem Land gutgetan. Die Entscheidungsträger mussten erkennen, dass Großprojekte ohne die Akzeptanz der Bevölkerung nicht mehr zu realisieren sind. Engagierte Querdenker durften erfahren, dass sie sich auf Augenhöhe mit den sogenannten Experten befanden.

Das Schlichtungsverfahren, das auch ein bundesweites TV-Ereignis gewesen ist, hat gezeigt, dass die Menschen immer weniger bereit sind, in den farbigen Kategorien der Parteien wie Schwarz oder Rot, Grün oder Gelb zu denken. Das macht es für die Volksvertreter zukünftig nicht leichter, kann aber einer bunten Republik auf die Sprünge helfen.

Die neue Sachlichkeit bietet große Chancen für eine zukünftige Lebendigkeit in der politischen Debatte. Ein großes Demokratie-Experiment ist erfolgreich beendet worden.