Das Baustellen-Chaos zeigt, Schwarz-Grün regiert an den Bürgern vorbei.

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es einen Moment, in dem sich in der Hamburger Bevölkerung die Gewissheit breitmachte, dass diese schwarz-grüne Koalition vielleicht die eine oder andere gute Vision hat, aber auf keinen Fall für die Bürger da ist. Als es darum ging, im wochenlangen Eis-Chaos am Jahresbeginn Leib und Leben der Hamburger zu schützen, versagte die Regierung kläglich. Dass Tausende Menschen stürzten, Autos verunglückten, die Krankenhäuser wegen Überfüllung schlossen - kurz: die Wirklichkeit - drang nicht bis in die warmen Büros der Senatoren und Bezirksbürgermeister vor. Und wenn doch, hatten sie nicht die Kraft, etwas zum Wohle der Menschen in dieser Stadt zu ändern. Als das Eis weg war, war auch das Vertrauen der Bürger geschmolzen.

Der neue Erste Bürgermeister Christoph Ahlhaus hat in geschickter Abgrenzung zu seinem Vorgänger Ole von Beust versprochen, dass mit ihm das Raumschiff gelandet sei, in dem die Politik ganz offenbar dem wirklichen Leben entschwebt war. Er verstehe sich auch als Stadtmanager, der sich um die Sorgen und Nöte der Bürger persönlich kümmere, wirbt Ahlhaus offensiv für seinen Politikstil. Im Zusammenhang mit dem Baustellen-Chaos, das in den nächsten Monaten den Verkehr in der Stadt an vielen Stellen lahmlegen wird, kann er jetzt beweisen, dass er zu den Politikern gehört, die ihre Versprechen halten.

Wieder steht die Stadt vor einer ganz konkreten Herausforderung. Sie lautet: In Hamburg gibt es viel mehr Baustellen als früher, aber nicht mehr Mitarbeiter, die diese koordinieren. Selbstverständlich ist das in der Behörde längst bekannt, aber gehandelt wurde nicht. Die drei Mitarbeiter der Koordinierungsstelle, die 2800 Baustellen managen sollen, müssen sich alleingelassen fühlen. Der Verdacht, dass mit einer solchen Strategie Autofahrer schikaniert werden sollen, um frustriert auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, lässt sich nicht erhärten. Jedenfalls scheint es sich erneut um eine Form der Wirklichkeitsverweigerung zu handeln, nach dem Motto: Die Stadtbahn von morgen ist uns wichtiger als der Stau von heute.

Die sympathische Vorstellung, die Stadt verstehe sich in erster Linie als Dienstleister der Bürger, die dafür mit ihren Steuern und Abgaben bezahlen, ist in manchen Bereichen - etwa den Kundenzentren der Bezirksämter - schon in die Praxis übertragen worden. Am Beispiel des Baustellen-Chaos wird sich in den nächsten Tagen zeigen, ob die neue schwarz-grüne Regierung schneller, unbürokratischer und bürgernäher zu handeln imstande ist als ihre Vorgänger. Für Ahlhaus ist das eine gute Gelegenheit, nicht nur als oberster Spar-Kommissar aufzufallen. Als Bewunderer von Helmut Kohl weiß er: Bedeutende Politiker sind immer dann stark, wenn es konkret wird.