ADAC beklagt Chaos auf den Straßen. Stadt muss wegen Personalmangels sogar die Internetseite abschalten

Hamburg. Sie zählt zu den meistgeklickten Seiten auf hamburg.de: die Übersicht der Koordinierungsstelle für Baumaßnahmen Hauptverkehrsstraßen (KOST), die via Internet einen Überblick zu sämtlichen Tiefbaustellen der Stadt gibt. Ideal, um sich als Autofahrer durch den Baustellen-Dschungel der Stadt zu schlagen.

Doch wer sich aktuell informieren will, blickt derzeit lediglich auf ein grell gelbes Feld: "Momentan ist keine Aktualisierung der Baustellen möglich", liest man dort. Dahinter verbirgt sich offenbar ein riesiges Problem mit kaputten Straßen und zu wenig Fachpersonal in Hamburg. Das überraschende Abschalten der beliebten Seite sei reine "Notwehr", heißt es behördenintern. "Wir haben einfach zu wenig Leute, um diesen Service aufrechtzuhalten", bestätigt überraschend offen auch der KOST-Leiter, Thorsten Hohenstein. Massive Kritik übt der ADAC: "Deutlicher kann man nicht zeigen, wie schlimm es um unsere Straßen steht", sagt Verkehrsexperte Carsten Willms.

Die Folgen eines solchen Personalmangels an den wichtigen Verwaltungsstellen Hamburgs seien Dauerbaustellen wie an der Kollaustraße in Eimsbüttel oder an etlichen Straßen im südlichen Hafenbereich - und zu wenig Koordinierung bei den Baustellen, sagt Willms. So werde beispielsweise zurzeit mit der Billhorner Brückenstraße und dem Elbtunnel an zwei wichtigen Einfallstraßen Hamburgs gleichzeitig gearbeitet. Auch die Absprache zu Autobahnbaustellen zwischen den Bundesländern funktioniere nicht richtig, kritisiert der ADAC. Hinzu komme, dass sich der Zustand von Straßen und Leitungen unter den Fahrbahnen immer weiter verschlechtere, weil zu wenig in ihre Instandhaltung investiert werde.

"Es werden immer mehr Baustellen, die Infrastruktur wird immer schlechter", sagt auch KOST-Chef Hohenstein, ein 56 Jahre alter Bauingenieur mit großer Erfahrung. Ein Blick in die Statistik gibt ihm recht: Allein an den Hauptverkehrsstraßen ist die Zahl der jährlichen Baustellen an Sielen, Wasserleitungen oder Fahrbahnen von 1800 im Jahr 2004 auf 2800 im vergangenen Jahr angewachsen. Doch die Abteilung KOST muss sämtliche Arbeiten weiter mit derzeit nur drei Mitarbeitern koordinieren, um ein zügiges Arbeiten zu ermöglichen.

Doch warum ist die Infrastruktur der Stadt so anfällig geworden? Ein Problem, das sich laut ADAC allerdings nicht nur auf Hamburg beschränkt, sondern bundesweit zu beobachten ist.

Einen Erklärungsversuch wagte kürzlich der Hamburger Rechnungshof. Politiker würden Geld lieber in neue prächtige Gebäude investieren als in die Instandhaltung der Substanz, kritisierten die Rechnungsprüfer in ihrem aktuellen Bericht. Jedes Jahr, so die Kritik, sinke der Wert der Hamburger Straßen um 55 Millionen Euro. Und je länger die Stadt mit den Reparaturen warten würde, desto teurer würden sie.

Doch so weitblickend wird meist nicht geplant, kritisieren Behördenmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand. So müssten reine Pflegemaßnahmen aus den laufenden Betriebsausgaben bezahlt werden - ein Posten, der gerne klein gehalten werde. Sind die Straßen allerdings erst völlig marode, dann kann die Grundinstandsetzung als Investition abgerechnet und nötigenfalls durch Kredite bezahlt werden.

Sichtbare Folge einer solchen Politik waren offensichtlich die vielen Schlaglöcher nach dem vergangenen strengen Winter. "Das war aber erst der Anfang", warnt der Rechnungshof.