Deutschland braucht mehr Vertrauen in die eigene Kraft.

Erwiesenermaßen ist Deutschland eine führende Industrienation mit mehr als 80 Millionen Einwohnern und einem weltweit anerkannten Bildungs- und Ausbildungssystem. In politischen Debatten ist aber meist von einem Land die Rede, das gerade ausstirbt, verblödet, von Moslems wenn schon nicht überrannt, dann doch unterwandert wird und dem massenhaft Fachkräfte fehlen, was nur durch sofortigen Zuzug ausgeglichen werden könne. Nun ist Deutschland auch besonders anfällig für Alarmismus aller Art, von angeblich drohenden Epidemien bis zum Weltuntergang durch Klima- und sonstige Katastrophen. Da findet oft nur Gehör, wer maßlos übertreibt. Oder auf Nebensächliches ausweicht, um von der eigentlichen Absicht abzulenken.

Dieses Land mit seiner Wirtschafts- und Bildungstradition sollte schon noch in der Lage sein, seine Fachkräfte selbst ausbilden zu können. Dieses Land leistet sich auch immer noch, zwei Drittel der Erwerbstätigen vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren in den Ruhestand zu schicken. Überwiegend handelt es sich dabei um Fachpersonal. Und obwohl die Erwerbsquote der über 60-Jährigen trotz leichter statistischer Steigerung nach wie vor gering ist, sollen wir bald bis 67 arbeiten.

Da passt einiges nicht zusammen. Es sei denn, man betrachtet das Problem allein von der kurzfristigen Kostenseite her. Ältere Arbeitnehmer sind teurer, mit jedem Jahr, das sie länger arbeiten, erwerben sie höhere Rentenansprüche, und selbst Ausbilden erfordert Zeit und Geld. Die Idee, fertiges Fachpersonal zu günstigen Konditionen zu importieren und je nach Bedarf auch wieder nach Hause zu schicken, scheint da verlockend.

Nur praktikabel ist sie nicht. Solange wir ausländische Abschlüsse nicht anerkennen, kommen auch nicht deren Besitzer. Und wenn sie kommen, dann nicht über Jahre ohne Familie oder ohne die Option, bleiben zu können. Und wenn sie denn kommen mit all ihren Problemen, werden dieselben, die sie einst riefen, in ein paar Jahren behaupten, wir hätten die Falschen geholt. Wieder einmal. Menschen und ihre Bedürfnisse sind eben kein so simples Im- und Exportgut wie Stahlträger oder Autos.

Nachdem es Deutschland in den vergangenen Jahren gelungen ist, durch Flexibilisierungen im Arbeitsmarkt und Produktivitätssteigerung die Wettbewerbsfähigkeit zu festigen, muss es nun wieder in seine Menschen investieren. Die Besinnung auf eigenes Potenzial ist langfristig gesehen günstiger und sorgt für mehr gesellschaftliche Stabilität.