Die Arbeitslosenzahlen in Deutschland sinken. Leiharbeit und Niedriglöhne sind der Preis

Der deutsche Arbeitsmarkt eilt von Rekord zu Rekord. Nahezu im Monatsrhythmus vermelden die Statistiker frohe Botschaften. So lag die Zahl der Erwerbslosen im vergangenen Monat bei bundesweit 3,11 Millionen - der niedrigste Februar-Wert seit 21 Jahren. Und auch in Hamburg entwickelt sich der Arbeitsmarkt laut Statistik glänzend.

Deutschland gilt als das Wirtschaftswunderland in Europa. Während in Südeuropa die Zahl der Arbeitslosen explodiert und das Gros der Euro-Länder 2012 mit einer schrumpfenden Wirtschaft rechnen muss, stehen die Zeichen in der Bundesrepublik auf Wachstum und neue Jobs. Die einschneidenden Arbeitsmarkt-Reformen der rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wirken bis heute. Doch man sollte nicht nur auf die offiziellen Statistiken schauen, der Blick hinter die offiziellen Zahlen lohnt.

Denn der Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt ist in den vergangenen Jahren teuer erkauft worden. So haben gerade die Festangestellten mit ihrer Zurückhaltung bei Lohnerhöhungen dazu beigetragen, dass die heimische Wirtschaft ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit behält und in einigen Branchen sogar ausbaut. Mehrere Jahre lang blieb nach Abzug der Inflationsrate kein Plus im Portemonnaie. Zudem müssen immer mehr Deutsche ihr Geld als Leiharbeiter verdienen. Die Folgen: Der Lohn fällt fast immer deutlich niedriger als bei den fest angestellten Kollegen aus. Und es herrscht eine extreme Unsicherheit, wie lange man im jeweiligen Betrieb beschäftigt bleiben darf. Rund eine Million Bundesbürger sind bereits als Leiharbeiter im Einsatz - Tendenz steigend. Des Weiteren ist in den vergangenen Jahren die Zahl derjenigen deutlich gestiegen, die zusätzlich zu ihrem Einkommen staatliche Hilfe benötigen. Im Klartext: Der Lohn allein reicht zum Leben nicht. Länder und Kommunen müssen Niedrigstlöhne aufstocken, damit der Beschäftigte Miete, Essen und Kleidung bezahlen kann. Gerade in teuren Großstädten wie Hamburg greift diese Lohnsubventionierung um sich.

Deutschland ist mit den Reformen unter Rot-Grün im Grundsatz einen richtigen Weg gegangen. Allerdings müssen gravierende Fehlentwicklungen korrigiert werden. So kann es nicht sein, dass Leiharbeiter mehrere Jahre lang in einem Betrieb beschäftigt sind und nicht übernommen werden. Zudem muss es das vorrangige Ziel der Arbeitsmarktpolitik bleiben, dass Beschäftigte von ihrem Lohn leben können. Schaut man auf eine Studie der Universität Essen-Duisburg, werden die Probleme hierzulande deutlich: Gut 18 Prozent der Arbeitnehmer bekommen weniger als 8,50 Euro brutto pro Stunde. Rund elf Prozent, also circa 3,6 Millionen Menschen, müssen sich mit weniger als sieben Euro begnügen. Und gut 1,2 Millionen Menschen - also etwa vier Prozent - erhalten sogar weniger als fünf Euro in der Stunde.

Der Staat muss die Schwächsten in unserer Gesellschaft unterstützen, ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es sollte aber nicht seine Aufgabe sein, Dumpinglöhne von Angestellten in Supermärkten, Friseursalons, Schlachtereien und Reinigungsbetrieben dauerhaft aufzustocken. Gegen eine zeitweise Bezuschussung ist wenig einzuwenden. Denn sie hilft gerade Langzeitarbeitslosen auf dem Weg zurück in einen festen Job. Aber nach spätestens einem Jahr muss der Arbeitgeber seiner Pflicht nachkommen und einem zuverlässigen Beschäftigten auch ein anständiges Gehalt überweisen.

Allen Jubelmeldungen der Statistiker zum Trotz darf man die Augen vor den gravierenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt nicht verschließen. Finden sich keine Lösungen, wird die soziale Kluft in der Gesellschaft immer breiter - eine Entwicklung, die sich niemand wünschen kann.