Bagatelldelikte taugen nicht länger als Kündigungsgrund.

Die Kassiererin "Emmely" hat einen wichtigen Sieg für alle Beschäftigten in Deutschland errungen. Allzu oft mussten in der Vergangenheit nämlich vermeintliche Diebstähle als Vorwand herhalten, um unliebsame oder aufmüpfige Mitarbeiter loszuwerden. Schon das Aufladen eines Handys am Arbeitsplatz oder die Weitergabe einer 80-Cent-Essensmarke an die Freundin reichten manch einem Chef aus, um mit dem Hinweis auf einen "schweren Vertrauensverlust" langjährige Mitarbeiter vor die Tür zu setzen.

Ein Aberwitz in Zeiten, in denen Topmanager Millionenabfindungen kassieren, obwohl sie erst kurz zuvor ein Unternehmen an die Wand gefahren haben. Schnell drängte sich der Eindruck auf, Bagatellkündigungen träfen vor allem jene Mitarbeiter, die sich nur schwer gegen ihren Arbeitgeber zur Wehr setzen könnten.

Mit seinem Urteil für die entlassene Kassiererin hat das Bundesarbeitsgericht die Verhältnisse nun wieder zurechtgerückt. Eine einmalige Verfehlung - in "Emmelys" Fall die Einlösung von Pfandmarken im Wert von 1,30 Euro - könne nicht den großen Vorrat an Vertrauen aufzehren, den sich die Mitarbeiterin in rund 30 Jahren Betriebszugehörigkeit erarbeitet habe. Eine Abmahnung hätte es in ihrem Fall auch getan, meinen die Bundesrichter.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Niemand möchte, dass Arbeitgeber den Griff in die Kasse in ihrem Unternehmen hinnehmen müssen. Jedes Jahr entsteht allein dem Einzelhandel ein Schaden von fast einer Milliarde Euro durch kriminelle Mitarbeiter. Bei Beschäftigten, die vorsätzlich und nachhaltig ihren Betrieb schädigen, muss es nach wie vor die Möglichkeit geben, ihnen fristlos zu kündigen. Daher ist es auch richtig, dass sich das Gericht gegen eine untere Wertgrenze für Bagatellkündigungen ausgesprochen hat und stattdessen auf einer Einzelfallprüfung beharrt. Alles andere wäre einem Freibrief für Langfinger gleichgekommen.

Worum es geht, ist ein Verhältnis auf Augenhöhe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wenn Chefs in einer immer raueren Arbeitswelt von ihren Beschäftigten verlangen, rund um die Uhr auf ihrem eigenen Handy erreichbar zu sein, dann kann es nicht strafbar sein, eine Frikadelle vom firmeneigenen Büfett zu essen, die kurze Zeit später ohnehin im Müll gelandet wäre.