Die Euro-Krise sichert Europas Anspruch auf den IWF-Chefposten.

Das Amt, von dem der Franzose Dominique Strauss-Kahn vor wenigen Tagen wegen Vergewaltigungsvorwürfen zurücktrat, ist eines der bedeutendsten im weltweiten Wirtschaftsleben - und in den nächsten Jahren wird es so wichtig sein wie kaum je zuvor. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) spielt eine Schlüsselrolle in den Bemühungen zur Bekämpfung der Schuldenkrise in Europa.

Und so erscheint es auch nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass sich mit Christine Lagarde nun ausgerechnet eine Kandidatin aus Frankreich um den IWF-Chefposten bewirbt. Denn Frankreich und Deutschland sind nicht nur die wirtschaftlich stärksten Staaten der Euro-Zone, sie sind auch die vehementesten Verfechter der Gemeinschaftswährung. Deutschland aber hat schlicht keinen Kandidaten aufbieten können, der bessere Chancen hätte als Lagarde: Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat sich als SPD-Kanzlerkandidat für 2013 ins Gespräch gebracht, Hamburgs Ex-Wirtschaftssenator Thomas Mirow (ebenfalls SPD) leitet zwar mit der Osteuropabank eine internationale Finanzorganisation, ist aber außerhalb des Kontinents wohl nicht prominent genug, und auf den vom Amt des Bundesbankpräsidenten zurückgetretenen Axel Weber dürfte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht gut zu sprechen sein.

An der fachlichen und persönlichen Qualifikation Lagardes gibt es jedenfalls wenig Zweifel. Sie hat in den schwierigen Verhandlungen über die gemeinsamen Hilfspakete der EU und des IWF Kompetenz und Geschick bewiesen. Zudem hat sich Paris die Unterstützung wichtiger europäischer Staaten für die Kandidatin gesichert. Und die erste Frau an der Spitze des IWF wäre sie obendrein.

Ein Selbstläufer wird ihre Kür zur Generalsekretärin dennoch nicht. Denn die Schwellenländer haben während und nach der Finanzkrise so sehr an Bedeutung für die Weltwirtschaft - und an Selbstbewusstsein - gewonnen, dass sie das ungeschriebene Gesetz, wonach das IWF-Spitzenamt den Europäern zusteht, nun erstmals ernsthaft zur Disposition stellen. Immerhin ist China heute die zweitstärkste Wirtschaftsmacht der Welt, auch Brasilien und Indien rangieren unter den Top 10. Mit Blick auf die Euro-Krise ist die Stunde für ein Ende des europäischen Anspruchs auf den IWF-Chefsessel diesmal noch nicht gekommen. In fünf Jahren aber dürfte es so weit sein, falls die Schwellenländer bis dahin nicht das Amt des Weltbank-Präsidenten für sich reklamiert haben - bisher war es reserviert nur für US-Amerikaner.